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,Finis Poloniae‘ ist nie das letzte Wort
Im März 1794 brach unter der Führung von Thaddäus Košciuszko ein Aufstand polnischer Patrioten aus, die das unerträgliche Joch der zweiten Teilung Polens abschütteln wollten. In der Schlacht bei Maciejowice blieb der Feldherr Košciuszko auf der Flucht in einem Sandhügel stecken, wo ihm die Kosaken das Pferd unter dem Leib wegschossen und einen Kopfschuß beibrachten. Auf vier Stangen ins Lager geschleppt, rief er das prophetische Wort „Finis regni Poloniae“ aus.
So wenigstens registrierte es die „Südpreußische Zeitung“ vom 25. Oktober 1794. Die Polen aber, die vom „Ende des Polenreiches“ nichts wissen wollten, antworteten mit den Worten des von Joseph Wybicki gedichteten Dombrowski-Marsches: „Noch ist Polen nicht verloren...“
An dieses bewegende Geschehen fühlt man sich immer wieder erinnert, wenn man den Verlauf der nunmehr ein Jahr alten Liberalisierungsbewegung verfolgt: Voll Hoffnung, voll Sorge, in Euphorie und Bangen.
Immer wieder mußte man fürchten, daß das kühne Experiment der „Solidarität“ auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen, dem unausweichlich scheinenden gewaltsamen Ende ausgeliefert sei.7 Immer wieder wurde der Beobachter vom unerschütterli- " ctrcir^iatrben der Polen an ihre bessere Zukunft beschämt. Noch ist Polen nicht verloren.
Aber wieder einmal droht Gefahr. Im ersten Anlauf haben die Männer um Lech Walesa das kommunistische Dogma von der Einheit von Partei und Gewerkschaft, von KP und Arbeiterbewegung gestürzt.
Jetzt haben die Männer der „Solidarität“ ihren Rammbock an einem zweiten Pfeiler angesetzt: den Massenmedien. Es gibt keinen kommunistischen, es gibt überhaupt keinen totalitären Staat, der sich das Monopol der Herrschenden auf Presse, Radio und Fernsehen rauben ließe. Was Walesa den „freien Zugang der Gewerkschaftsbewegung zu den Massenmedien“ nennt, ist eine Zertrümmerung dieses Monopols: bisher unvorstellbar.
Wird es den tapferen Polen gelingen, auch diesen Bann zu brechen? Man kann sich vorstellen, mit welchem Ingrimm die Machthaber im Kreml die weitere Entwicklung verfolgen. Sie wissen, daß Freiheit der Massenkommunikation eines Tages zum Zusammenbruch ihres Imperiums führen muß: nicht nur in Polen.
Vor genau 20 Jahren konnten sie das kommunistische Gewaltregime in Ostdeutschland nur noch retten, indem sie durch den Bau einer Mordmauer quer durch Berlin ihre Bürger von allen Fluchtwegen abzuschneiden suchten.
Vor genau 14 Jahren besorgten Panzer der Warschauer Pakt-Mächte das blutige Geschäft der Regimestabilisierung in der Tschechoslowakei. Und trotzdem haben die Polen einen neuen Ausbruch aus der Gewaltherrschaft ertrotzt.
Längst hätten die Sowjets gewaltsam eingegriffen, wären sie nicht in einer vielfach komplizierten Notlage. Daß in Polen noch immer nichts „passiert“ ist, ist - auch - eine ungleich positivere Folge der neuen US-Politik der Stärke als P.restigeluftkämpfe im Mittelmeer.
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