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Für neuen Mut, Kirche zu sein

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„Die Kirche Christi - Enttäuschung und Hoffnung“ war das Generalthema der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen, die in diesem Sommer ihr goldenes Jubiläum begehen konnten. Am 3. August waren es nämlich genau 50 Jahre, daß die ersten Salzburger Hochschulwochen in der traditionsreichen Aula academica der ehemaligen Salzburger Benediktineruniversität feierlich eröffnet wurden.

Wenn der Verlauf dieser Hochschulwochen im ganzen gesehen doch eher enttäuschend war, so lag das weniger am Thema, das dem Anlaß dieses Jubiläums durchaus angemessen war, als vielmehr an der Verlegenheit, die es heute in einer Zeit weit verbreiteter Resignation - auslöst. Besonders in den rund anderthalb Jahrzehnten, die seit der Beendigung des II. Vatikanischen Konzils vergangen sind, sind viele der hochgespannten Erwartungen, die dieses Konzil ausgelöst hatte, enttäuscht worden.

Die Folge davon ist ein weitverbreitetes Unbehagen, das sich heute in mannigfacher Weise äußert. Dieses Unbehagen zu ignorieren oder gar bewußt herunterzuspielen wäre nicht nur unehrlich, sondern auch unklug.

Was uns aus dem gegenwärtigen Stimmungstief herausführen kann, ist einzig und allein die nüchterne Erforschung der Gründe und Ursachen unserer Enttäuschungen, wie dies der bekannte Freiburger Dogmatiker Professor Karl Lehmann getan hat. Lehmann forderte einen „neuen Mut zum Kirche- sein“, der das, was in der ersten Begeisterung aufgebrochen ist, nicht zu verleugnen braucht, der aber um die Schmerzen einer enttäuschten Hoffnung wisse und eben darum entschiedener und zugleich geduldiger sei.

Lehmann warnte vor einem eindimensionalen, rein soziologisch-hierarchischen Kirchenverständnis. Es gelte den Blick für die ganze Wirklichkeit der Kirche wiederzugewinnen und vor allem die bleibende Differenz zwischen der geschichtlichen Erscheinung der Kirche und dem Reich Gottes präsent zu halten. Als Gemeinschaft der Sünder bleibe die Kirche stets hinter ihrem Auftrag zurück und sei daher zur beständigen Buße und Erneuerung aufgerufen. „Kirche als Gegenwart des Geistes und Kirche als Institution stellt ein Verhältnis zwischen zwei Dimensionen dar, die weder direkt identifiziert noch beziehungslos von einander abgetrennt werden dürfen“, sagte Lehmann wörtlich.

„Die Kirche als Zeichen der, Hoffnung in unserer Zeit“ war das Thema der Festrede von Kardinal Franz Kö nig. Man habedieGlaubwürdigkeitder Amtskirche, der Kirche als Institution und organisiertes Gebilde wiederholt angegriffen und ihr die Glaubwürdigkeit abgesprochen, sagte der Kardinal. Aber Amt und Institution seien dazu da, um den Gläubigen zu dienen. „Daher ist nicht die Glaubwürdigkeit der Kirche als solche in Frage gestellt, sondern die der Christen - im einzelnen wie als gläubige Gemeinschaft, die durch ihr Leben und ihr Beispiel Zeugnis geben müssen.“

Als ein ermutigendes Lebenszeichen kirchlicher Zukunft bezeichnete der Neutestamentler Professor Josef Blank die kirchlichen Basisgemeinden. In seiner dreistündigen Vorlesung beschäftigte sich Blank vor allem mit den Verhältnissen in Lateinamerika. Beim Studium der einschlägigen Probleme habe er zunehmend den Eindruck gewonnen, daß zwischen der Situation in Lateinamerika und jener in der Bundesrepublik Deutschland und anderen reichen Ländern eine ganze Reihe von Abhängigkeiten bestehen.

Eben darum gehöre ein selbstkritischer Mut dazu, diesen Problemen nicht auszuweichen, sondern ihnen offen ins Gesicht zu sehen, so sehr sie auch für uns Angehörige der ersten

Welt Unbequemlichkeiten mit sich bringen, die darauf angelegt sind, unser traditionelles Weltbild in seiner selbstgerechten Argumentationsbasis zu erschüttern. Es gehe einfach nicht mehr an, den Begriff „Katholizität der Kirche“ in jenem engen und verängstigten Sinne zu verstehen, wie er sich mit stark apologetisch geprägten Zügen als „nachtridentinischer Katholizismus“ bis zum Zweiten Vatikanum gehalten hat.

Wie Blank betonte, stehen wir heute vor der Aufgabe, diese verengte eurozentrische Optik auf eine umfassendere Perspektive hin zu überschreiten, die uns dazu nötigt, das „abendländische Christentum“ als eine regional begrenzte und sehr relative Erscheinungsform der historischen Entwicklung des Christentums zu begreifen.

Damit hat aber Blank auch ein zentrales Existenzproblem der Salzburger Hqchschulwochen angesprochen, die ja vom Anfang an diesem abendländischen Christentum in besonderer Weise verpflichtet sind. Es wird für die Zukunft dieser Hochschulwochen von entscheidender Bedeutung sein, ob sie diese neue „kopernikanische Wende“ mitvollz.iehen werden oder nicht.

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