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Gegen existentielle Trägheit

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Pfingsten ist nicht nur da, wo ės braust und zündet. Pfingsten ist überall da, wo der Geist Gottes wirksam wird, und das kann sehr leise geschehen.

Pfingsten ist Bekenntnis dazu, daß der Geist in diesen Menschen wirkt, mit denen ich in der Gemeinde zu. tun habe. Pfingsten ist Bekenntnis dazu, daß Gott diesen Weg gehen will, daß er sozusagen den Mut hat, durch seinen Geist auch auf ganz unauffällige und ganz unscheinbare Weise in den Menschen von heute zu wirken. Viele glauben ja nicht daran, daß er das wirklich tut.

Pfingsten heißt, sich dazu bekennen, daß der Geist Gottes nicht nur in den ganz besonderen Menschen wirkt, sondern auch in den durchschnittlichen und ganz gewöhnlichen.

Aber wenn man das so sagt, ist es eigentlich schon wieder falsch. Denn es gehört auch zum Bekenntnis unseres Glaubens, daß es im Grunde gewöhnliche Menschen gar nicht gibt. Jeder Mensch ist einmalig, ungewöhnlich. Jeder ist als dieser einmalige Mensch von Gott gemeint, jeder ist ein Original, jeder hat seine Gaben, jeder ist Tempel des Heiligen Geistes.

Der Geist wirkt auf s ir verschiedene Weise, nicht nur in Freude und Jubel, auch ,/i einem inneren Frieden, der nur für aufmerksame Menschen von außen her erkennbar ist; in jener stillen Güte, die einfach da ist, ohne Lärm. Er kann auch wirken im plötzlichen Erschrecken darüber, daß ich im Grunde gar nicht aufgeschlossen bin für die Gegenwart Gottes in mir und in meinem Leben und für das, u>as der Geist durch mich bewirken will: Akzeptieren des anderen, Ermutigung, Hilfe.

Der Geist schenkt nicht nur Frieden; er kann auch unruhig machen. Er gibt nicht nur Trost; auch das, und zwar in reichem Maße. Aber er kann auch jene heilige Ungeduld wek- ken, aus welcher der hl. Franz noch bei seinem Sterben sagte: ,J3rüder, laßt uns endlich anfangen!“

Pfingsten, das ist Protest gegen jene existentielle Trägheit, die sich wie ein schwerer Nebel über die Landschaft legt und in der sich viele Menschen hängen lassen; gegen jene Apathie, in der man. sich der Trostlosigkeit anheimgibt, der Hoffnungslosigkeit und Verdunkelung des Daseins, in der man verkümmert in seinem Kummer. Dagegen ist Protest nötig und Bekenntnis zu dem Geist, der neu schaffen will und kann.

Niemand darf sich der Schwerkraft des Daseins überlassen. Niemand darf in der Enge seines Daseins verkümmern. An den Heiligen Geist zu glauben heißt, an die heilende Kraft zu glauben, die von Christus ausgeht; heißt, ihm unsere Armseligkeit hinhalten im Vertrauen darauf, daß er uns beleben, uns mit neuem Geist erfüllen kann. Unsere Armseligkeit hinhalten, statt uns durch sie niederdrücken und entmutigen zu lassen.

Darauf also läuft es hinaus: Zu Pfingsten feiern wir Jesus Christus als den Menschen, der aus seiner unüberbietbaren Gemeinsamkeit mit Gott uns seinen Geist mitteilt, damit es uns möglich wird, in ähnlicher Weise wie er Mensch zu sein, mit ihm zusammen, ganz offen für Gott und ganz für die Menschen.

Der Beitrag ist dem Herder-Band „Zu diesem Leben ermutigen“ entnommen. - Der Autor ist Pastoraltheolöge an der Universität Münster., fi

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