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Gesunder Instinkt

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Angesichts der Flut von Zwentendorf-Kommentaren anläßlich des ersten Jahrestages der Volksabstimmung habe ich mir fest vorgenommen, ihr keinen weiteren hinzuzufügen. Ich will mich daran halten, wenngleich die Art und Weise, in der unsere sogenannten Energiepolitiker die Sache derzeit abhandeln, eine einzige Provokation ist. Und obgleich sich ganz gut eine Brücke zum heutigen Thema schlagen ließe: Zur Verachtung der Technokraten für Otto Normalverbraucher und ihrem ungläubigen Kopfschütteln, wenn er sich partout nicht an ihre Ratschläge halten will.

Wobei ich mir vorab gleich schuldbewußt an meine technokratische Brust klopfen möchte: Nie werde ich vergessen, wie ich vor nur etwas mehr als einem Jahrzehnt den Glauben meiner Großeltern an das Gold belächelt habe. Hatten mir doch eben kluge Ordinarien der Volks- und Betriebswirtschaftslehre beigebracht, daß Gold eine entsetzlich schlechte Wertanlage sei, weil es keine Zinsen trägt und sein Preis zudem der Willkür einiger mächtiger Notenbanken ausgesetzt ist. Die Weigerung meiner Großeltern, meinen Rat zu befolgen und ihre Golddukaten in zinsenbringende Wertpapiere umzutauschen, deutete ich damals verärgert als Altersstarrsinn. In Wirklichkeit war es vermutlich der gesunde Instinkt einer Generation, die dreimal ihr gesamtes Barvermögen durch Inflation verloren hatte.

Glücklich können sich auch jene schätzen, die den Ratschlägen der Elektro-Techno- kraten nicht gefolgt sind und ihren Haushalt nicht voll elektrifiziert haben. Es klang ja so plausibel: Strom ist sauber, läßt sich am leichtesten von allen Energieträgern transportieren, Strom kennt keine Vorratsprobleme; dazu kam die Verwaltungsvereinfachung (es braucht nur noch mit einer Stelle abgerechnet zu werden) und das Tarifzuckerl (je mehr man verbraucht, desto billiger wird’s).

Was die Bürger dieses Landes von diesem Ratschlag heute halten, erklärt besser als tausend Worte der fast schon hysterische Run auf konventionelle Heizgeräte. Die Produktion von simplen Kohleöfen, bei der man sich jahrelang nur durch Exporte über Wasser halten konnte, ist zu einer Wachstumsbranche, der vom Aussterben bedrohte Beruf des Ofensetzers zu einem Beruf mit Zukunft geworden. Für Kachelöfen werden heute 60.000 Schilling auf den Tisch gelegt und Wartezeiten bis zu einem Jahr in Kauf genommen - und das sicherlich nicht nur wegen der Behaglichkeit, die dieser Wärmespender verbreitet. Da auch Großmutters Küchenherd wieder in Mode kommt (ab 40.000 Schilling aufwärts!), fehlt es an allen Ek- ken und Enden an geeigneten Kacheln. Das Alpenland Österreich importiert Ofenkacheln aus Finnland.

Alle, die ihren ausrangierten Kohleofen, von ihren fortschrittlichen Nachbarn belächelt, auf dem Dachboden aufbewahrt haben, können ihren Instinkt bestätigt sehen.

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