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Kirchenvolks-Begehren - was nun?

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Das Kirchenvolks-Begehren hat alle Erwartungen übertroffen. Hunderttausende warten nun, was geschieht. Manches liegt in der Verantwortung der Gesamtkirche, aber nicht wenig könnte gleich in Angriff genommen werden:

Erstens: Deutlichere Frohbotschaft. Der gesamte Bereich der Verkündigung sollte durchleuchtet werden, ob nicht noch immer zu viel moralisiert, lamentiert und kritisiert wird, anstatt die Wege zum Heil zu zeigen. In der Pastoral an wiederverheirateten Geschiedenen wäre zum Beispiel viel nachzuholen. Die Bischöfe haben ja im Dezember vorigen Jahres ohnehin angekündigt, in ihren Diözesen mit Fachleuten neue Wege der Versöhnung zu suchen.

Zweitens: Positivere Sicht der Sexualität und stärkere Betonung anderer, noch wichtigerer Fragen. Es bedarf größter Anstrengungen, endlich vom Image wegzukommen, Kirche meine mit Moral vornehmlich Sexualmoral. Der radikale Einsatz für Arme, Fremde, für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung entspricht mehr dem Geiste Jesu als kasuistische Sexualmoral. Und diese wiederum dürfte nicht mit Verboten beginnen, sondern müßte Hilfen bieten, wie in

Liebe gelebte Sexualität heute noch gelingen kann. Wenn Jugend überhaupt noch etwas auf dem Gebiete von der Kirche erwartet, dann solches. Und was die verantwortete Elternschaft anlangt, ist noch viel zur Gewissensbildung nötig, aber dann müßte die katholische Kirche zum Grundsatz des Konzils stehen, daß das Urteil über die Kinderzahl die Eltern im Angesicht Gottes letztlich selbst zu fällen haben.

Drittens: Mehr Mitsprache der Laien, mehr Mitverantwortung der Ortskirchen. „Wir sind die Kirche” ist keine Kampfparole, sondern eine theologische

Wahrheit. Der Umgang mit Laiengremien müßte sich an dieser Wahrheit messen lassen. Und die Ortskirchen müßten sich gerade zum Wohl der Gesamtkirche ihrer Eigenverantwortung bewußt werden, sie auch ausüben. In Fragen der Bischofsernennungen wären schon im geltenden Gesetz mehr Möglichkeiten, als zuletzt von Rom und den scheidenden Bischöfen ausgeschöpft wurden.

Das unerwartete Ergebnis des Volksbegehrens zeigte, wieviel Erneuerungswille in der Kirche noch da ist. Nimmt man diesen Aufschrei nicht ernst, wird sich bald nichts mehr rühren.

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