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Großprojekte:

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„Wir haben", sagte an einem kalten Jännertag des Jahres 2002 im Ministerrat der Bundeskanzler, „in den vergangenen zwei Dezennien gewaltige Leistungen vollbracht. Die UNO-City, das Konferenzzentrum, die Donauinsel!"

„Kleine Fische", sagte der Finanzminister, „wenn ich an die Kapazität denke, über die nach all diesen zur Auslastung ihrer Kapazität getroffenen Maßnahmen unsere Bauwirtschaft nunmehr verfügt. Wir brauchen daher eine neue Generation von Großprojekten!"

„Ich protestiere gegen den Ausdruck Großprojekt!" rief der Unterrichtsminister, „wir haben uns darauf geeinigt, nur von .angepaßter Alternativ-Dimension' zu sprechen!"

„Wenn die Kasse stimmt, ist mir jede Dimension recht", sagte der Finanzminister.

„Dann also zur Sache", sagte der Bundeskanzler, „nach der Fertigstellung des Semmering-tunnels müssen wir doch all die dabei großgewordenen Spezialfirmen beschäftigen, wir sollten sofort den seit Jahren von den Bewohnern des Entwicklungsgebietes hinter dem Bisamberg dringend geforderten Bisamberg-Tunnel in Angriff nehmen! Wer ist dagegen? Ich sehe, wir sind alle dafür. Jetzt müssen wir nur noch zwei bis drei Projekte vergleichbarer Größenordnung festlegen."

„Es wäre Zeit für das fehlende Autobahnstück zwischen der Südost-Tangente und dem Tex-tilzentrum auf dem Gebiet des ehemaligen Inlandsschlachthofes", sagte der Handelsminister, „es ist ja nicht ganz auszuschließen, daß sich die Textilwirtschaf t wieder einmal erholt!"

„Da dieses Autobahnstück beim besten Willen nicht länger als zwei Kilometer geplant werden kann", sagte die Bautenministerin, „müssen wir Länge durch Breite substituieren, um zu vernünftigen Auftragsdimensionen zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu kommen. Ich schlage daher vor, wir statten die neue Autobahn in jeder Richtung mit sechzehn Spuren plus acht Kriechspuren aus."

„Wenn wir sie .Textilautobahn Ost' nennen, gibt uns vielleicht Singapur einen zinsgünstigen Baukredit", sagte der Finanzminister.

„Ich erinnere an den längst nötigen totalen Hochwasserschutz des Wienflusses mit einem zweiten, unterirdischen Bett unter der Gumpendorfer Straße", sagte der Vizekanzler, „der Bürgermeister von Wien ist deswegen schon ganz ungeduldig!"

„Dann setzen wir sie lediglich auf die Prioritätenliste", sagte der Bundeskanzler, „hingegen sollten wir unbedingt das Medizinische Zentrum Döbling in Angriff nehmen, das jüngst fertiggestellte Medizinische Zentrum Währing mit seinen ohnehin nur 1.050 Betten ist 700 Meter entfernt, und das ist unzumutbar!"

„Mit dem Autobahn-Ast über den Dachstein warten wir besser noch zu", sagte die Bautenministerin, „dabei handelt es sich vielleicht doch ein bisserl auch um eine Prestigesache, und solche Projekte sind jetzt nicht in."

„Einverstanden", sagte der Unterrichtsminister, „dafür bestehe ich aber darauf, daß nun endlich die seit langem geplante Pyramide bei Hainburg begonnen wird. Ein Staat muß auch an sein Image denken."

„Ich bin dafür", sagte der Finanzminister, „die totale Unwirt-schaftlichkeit dieses Vorhabens setzt ein positives, alternatives Signal, außerdem wird Kaufkraft gebunden."

„Graz bittet immer dringlicher um einen Zuschuß zur Erneuerung seiner Straßenbahn", sagte der Gesundheitsminister.

„Dafür ist kein Geld da", sagte der Finanzminister.

„Außerdem", sagte die Bautenministerin, „haben wir mit der Subventionierung der U-Bahn für Kitzbühel ohnehin ein Signal in Richtung Bundesländer gesetzt!"

„221 kleine Bahnhöfe der Bundesbahnen verfallen", sagte der Verkehrsminister, „die müssen repariert werden."

„Kein Geld!" rief der Finanzminister.

.Außerdem müssen wir Arbeitsplätze schaffen", sagte die Bautenministerin, „und die habe ich gern schön beisammen."

„In Wien und in den Bundesländern versumpfen die Schutzzonen, und die Fassaden verfallen", sagte der Wissenschaftsminister, „vielleicht sollten wir dagegen doch etwas tun?"

„Wir wollen klotzen und nicht kleckern", sagte der Finanzminister, „außerdem kaufen jetzt immer mehr Araber Zweitwohnsitze in Österreich, die bilden ein Gegengewicht gegen die vielen Deutschen, sichern unsere Neutralität, und die Araber sollen ruhig etwas Geld in die Verschönerung Österreichs stecken."

„Ich habe da noch einen Antrag", sagte der Handelsminister, „die Konsumgenossenschaft Wien will in Grinzing einen Weinhang kaufen und ein unterirdisches Großkühlhaus bauen, um die Versorgung ihrer fünf neuen Einkaufszentren in Döbling zu sichern. Sie will auch auf dem Dach einen Park mit Springbrunnen einplanen."

„Dann kann man es erlauben", sagte die Bautenministerin.

„Bleibt nur noch ein Punkt auf der Tagesordnung", sagte der Bundeskanzler.

„Ohwehohweh", riefen alle im Chor.

„Wir können ihn ja auch vertagen", sagte der Bundeskanzler, „es handelt sich um die Fertigstellung des AKH und der Wiener U-Bahn bis zum Jahr 2050."

„Vertagen, damit übernehmen wir uns!" riefen alle im Chor.

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