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Haben wir das verdient ?

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Es ist zum Haare-Ausraufen! Nicht nur am Theater, sondern auch in der Weltpolitik sagen die falschen Leute zur falschen Zeit die falschen Sachen.

Jeder weiß von meiner Einstellung zu Israel und zum Bundespräsidenten. Aber ich bin — von mir selber, von meinem Gewissen her — gezwungen, zu protestieren. Acht Abgeordnete des israelischen Parlaments haben einer — wie ich meine — gerechten Sache einen Bärendienst erwiesen und sich obendrein im Ton vergriffen. Auch die Herren und Damen Abgeordneten der Knesseth sollten mit Worten wie „Nazi-Verbrecher“ sehr vorsichtig sein.

Fakten auf den Richtertisch oder - vorsichtig sein! Noch dazu zu einem Zeitpunkt, da die Welt immer mehr den Regierenden in Israel das moralische Recht abspricht, richten zu dürfen.

Ich weiß schon, das ist alles sehr kompliziert, von hier aus nicht richtig zu beurteilen — aber, bitte sehr, wieso maßen sich die Herrschaften an, von dort aus alles richtig beurteilen zu können, was hier geschieht?

Dazu kommt noch die stete Forderung, daß Freunde immer auf den Judenstaat (einst Muster der Demokratie!) Rücksicht zu nehmen hätten. Wieso nimmt nicht auch der Staat unter dem Banner Davids Rücksicht auf seine Freunde?

Und heute? Wieder ist meine Frage: Ist die Regierung Schamir allein schuld, wo ist der reale Sinn all dieser schrecklichen Aktionen? Daß die anderen angefangen haben, ebenso Schreckliches getan haben, das weiß ich — aber die Welt hat das anscheinend vergessen. Vergessen ist eben angenehmer als sich erinnern müssen.

Jedoch: der jüdische Staat ist angetreten unter der Devise: Wir sind anders — besser, klüger, toleranter — und das war auch so. Jetzt hat sich das Bild verändert — und dieser andere, derzeitige Staat zerkratzt weiter sein Gesicht, macht es seinen Freunden noch schwerer, für ihn zu plädieren, und dann kommt die „Forderung“ der acht Parlamentarier an das österreichische Volk.

Nein, Freunde, das haben wir nicht verdient, daß Ihr uns so in den Rücken fallt, daß Ihr unsere Position auch noch selber schwächt, denn an eine Verschwörung wider die Vernunft kann und will ich nicht glauben.

Wann immer vom'Image Österreichs in der Welt die Rede ist, so solltet Ihr dort auch an das Image Israels in der Welt denken. Isolation ist in keinem Fall angenehm.

Wir hier in der Alpenrepublik werden das bewältigen. Unser Land hat eine lange Geschichte. Ihr habt erst den 40. Jahrestag der Gründung zu feiern. Israel ist unter den Staaten dieser Welt ein Säugling, den es großzuziehen gilt. Durch Abnabelung von der Welt ist niemandem geholfen.

Ich bin in Sorge. Ist es nicht ein Gebot, daß alle Menschen gleich sind? Ist nicht Toleranz, Liebe gar, hilfreicher als der Trotz des Kleinstkindes? Ich bitte Euch wieder — macht es uns nicht schwer. Eure Freunde zu bleiben, gebt nicht denen Recht, die Euch nicht mögen. So wie die acht Knesseth-Mitglieder uns nicht mögen. Wozu eine Begründung liefern für ein Pauschalurteil, das es nie und nimmer geben darf?

Glaubt uns, wir haben — nicht alle, aber viele von uns — nachgedacht. Es stünde dem Volk des Buches wohl an, auch nachdenklich zu werden.

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