6818693-1973_22_15.jpg
Digital In Arbeit

Hildesheimer — einst, jetzt

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn aus einem Saulus ein Paulus wird, so stellt das eine Bekehrung vor, und darunter kann man sich etwas vorstellen. Wenn aber umgekehrt ein hochbegabter Literat den Glauben an sein Handwerk einbüßt und aus einem auf glänzende Weise satirisch aufgelegten, präzis zielenden Polemiker zu einem melancholisch aufgelegten Grübler mit der fatalsten „Tiefe“ als Selbstzweck geworden ist, dann hat er es mit einem Großteil der Kritik ebenso leicht, wie es der Großteil seiner Leser mit ihm schwer hat. Jene werden ihn

sicherheitshalber in eine Höhe heben, von der sich der Satiriker nichts hätte träumen lassen, weil sie ja für alles Unverständliche Verständnis bereithalten. Die Leser aber werden bei der Lektüre so melancholisch, wie Hildesheimer es zuvor nicht war, und fragen sich wahrscheinlich im geheimen: Was soll das? Eben dieses Geheimnis sei hier öffentlich weitergeben.

Es geht wieder um einen Ich-Erzähler wie in dem sogenannten Roman „Tynset“ (1965). Er logiert gerade in der Herberge „la deniere Chance“ oder „the last chance“, die „am Rande der Wüste“ liegt — bedeutungsschwerer geht es schon nicht. Und er denkt, unter anderem, an „Masante“, seinen eigentlichen Wohnsitz. Er denkt und denkt, schaut manchmal auf, von seiner momentanen Umgebung im Denkprozeß unterbrochen, der rein assoziativ vor sich geht, nicht zielstrebig. Man bekommt also so etwas wie einen (sehr literarisch gesehenen) Denkvorgang zu lesen, kein Denkergebnis. Das wird begreiflich, wenn man weiß, daß der sogenannte Roman „Masante“ ursprünglich ein innerer Monolog war und unter dem Titel „Maxine“ 1969 als Hörspiel gesendet wurde. Maxine ist die Wirtin am Rande der Wüste. Mangels vieler Gäste bewirtet sie sich selber, trinkt und trinkt, während die Ich-Figur denkt und denkt, bis sie umfällt, und das täglich. Ihr Mann, nach vielen Männern, heißt Alain, war früher Franziskanerpater, dem sie jene beichtete, der ihr gefiel und gewissermaßen verfiel. Wer hinter diesem Detail eine Story vermutet, der irrt.

In „Masante“ gibt es bestenfalls Details. Wolfgang Hildesheimer hat einmal, weniger originell als dezi-diert, erklärt, „daß unsere Realität sich dem poetischen Ausdruck entzieht, daß ihre Banalität nur noch, gleichnishaft, in Wortspielen wiedergegeben“ sei. Und selbst wenn das der Fall sein sollte, sollte es in der Literatur auf die Qualität der Wortspiele ankommen und nicht auf das Spiel mit Banalitäten. Es gibt nichts Banales außer der Stimmung, alles banal zu finden. Da stimmt etwas nicht.

Roman? Es fallen diesem Ich, wie jedem anderen auch, manchmal die unwesentlichsten Einzelheiten der eigenen Lebensgeschichte ein, die ein anderer freilich nicht aufschreibt und als Roman veröffentlicht, reichlich aufgeputzt durch solche aus der Weltgeschichte im allgemeinen und der Kirchengeschichte im besonderen. Gerade solches defaitistisch betonte Prunken mit ausgefallenem Detailwissen demonstriert den öde-

sten Geschichtssnobismus, wenig gemildert durch gelegentliche, sowieso überanstrengte Ironie, die dann leider auch versnobt wirkt.

Zuweilen blitzt Selbsterkenntnis auf, aber der Donner schreckt den Autor nicht aus der Misere. „Wann komme ich zur Sache? Niemals natürlich ... Aber wann kommen denn die anderen zur Sache, und zu welcher?“ Nein, das ist keine gute Ausrede und kein gutes Wortspiel. Es sind schon viele zu einer besseren Sache gekommen. „Ich stelle fest: die Bilder kommen schnell und willig, und ebenso schnell schwinden sie wieder, das macht die Leere: nichts hält sie auf. Jetzt sollten sich Zusammenhänge ergeben und sich verknüpfen, so daß etwas entsteht, das ich brauchen kann.“ So ist es, aber „die Sicht täuscht, sie gaukelt mir vor, es wolle sich mir hier etwas Gültiges auf die Zunge legen, eine

Erkenntnis, eine Erleuchtung“ — Absatz; und schon erinnert er sich von neuem an Masante, ein Vorgang pro domo, dessen Druckreife einfach nicht einzusehen ist. Immerhin ist auch der unschöpferische Leerlauf, wie alles bei Wolfgang Hildesheimer, in ordentlichem Deutsch vorgetragen.

„Masante: Was der Name bedeutet, weiß ich bis heute nicht, niemand konnte es mir sagen.“ Nun, das wäre das wenigste; niemand jedoch könnte sagen, was das Buch bedeuten soll und darüber hinaus, daß ein brillanter Autor, Mitte 50, der einst vorgegebene Wirklichkeit mit handfester Ironie wiederzugeben vermochte, jetzt mit beiden Händen ins Absurde greift, mit leeren Händen dann dasteht, angestaunt vom routinierten Staunen einer insgeheim wahrscheinlich verlegenen Expertenschaft.

MASANTE. Von Wolf gang Hildesheimer. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1973. 377 Seiten.

rung bildet den Schwerpunkt die alte Stiftsorgel von Klosterneuburg (1642), einer Hochleistung des Frühbarock. Ihr reihen sich im Hochbarock und Rokoko die Orgeln von Dürnstein, 1719, Zwettl, 1731, Melk, 1732, an, künden in der Folge das Eigenständige des niederösterreichischen Orgelbaues. Handwerk, Figurenschmuck bäuerlicher Kunst führen weiter über Klassizismus in die Romantik, geben aber auch Baukontrakt, Orgelprobe und Dispositionen vielfach im Faksimiledruck wieder. Es werden bei solch konzentrierter Betrachtung nur die bedeutendsten Orgelwerke behandelt: gleichwohl entsteht ein wertvolleres und eindrucksvolleres Bild als durch eine katalogmäßige Aufzählung aller erreichbaren Instrumente. Das gründliche Wissen und der sichere Überblick des Verfassers treffen unbeirrbar die richtige Auswahl.

Dem wertvollen Inhalt entspricht die Ausstattung des Buches. Druck und Bild könnten nicht textentsprechender und - nicht nobler geboten werden. Ein Lexikon der Fachausdrücke sowie die wertvollen Hinweise, Anmerkungen und Quellennachweise machen das Buch auch zu einem Nachschlagewerk bedeutender Art. Der kleine Druckfehler auf Seite 27 (Todesjahr Kaiser Josephs I. betreffend) verbessert sich beim Weiterlesen von selbst.

BAROCKER ORGELSCHATZ IN NIEDERÖSTERREICH. Von Hans Haselböck. Manutiuspresse. 180 Seiten, mit 12 Federzeichnungen von Hubert Hölzl, 32 Bildtafeln, davon 8 in Farben, 1, Karte, 6 Textillustrationen, 2 Faksimilebeilagen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung