6803721-1971_47_12.jpg
Digital In Arbeit

Horvaths kurzes Leben

Werbung
Werbung
Werbung

Ödön von Horväth wechselte in seiner Schulzeit viermal die Unterrichtssprache, und erst mit vierzehn Jahren schrieb er den ersten deutschen Satz. Diese erstaunliche Tatsache ist auf einer der neunzig Wandtafeln zu lesen, die in der derzeitigen von der Wiener Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur im Verein mit der Berliner Akademie der bildenden Künste Im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts veranstalteten Horväth- Ausstellung zu sehen sind. Anlaß der Dokumentation, die von Hans F. Prokop erarbeitet wurde: Horväth wäre heuer siebzig Jahre alt geworden.

Ein Überblick über das Leben und Schaffen dieses Dramatikers, der siebzehn Dramen und drei Romane geschrieben hat, wird hier vorgestellt. Man sieht ihn im Photo mit seinem kleineren Bruder Lajos, beide in würdigen Mäntelchen mit Kutscherkragen, dann als etwas ältere in Matrosenanzügen; man sieht Bilder seiner hübschen Mutter und des Vaters mit fesch auf gezwirbeltem Knebelbart. Dies ist der Anfang; das Ende bezeichnet ein Bild vom Grab Horvaths auf dem Friedhof St.-Ouen in Paris. Zwischen Geburt und Tod liegen nur 37 Jahre.

Erst seit etwa einem Jahrzehnt erreichen die Stücke Horväths gewaltig steigende Erfolge. In der Spielzeit 1970/71 gab es an deutschsprachigen Bühnen 28 Inszenierungen, elf im fremdsprachigen Ausland. Schiller und Brecht hatten ein Jahr vorher im deutschen Sprachbereich nur ein, zwei Inszenierungen mehr. Wie man den hier gezeigten Theaterprogrammen und den Angaben im Ausstellungskatalog entnehmen kann, wurde Horväth als Dramatiker nicht in Österreich, sondern vor allem in Deutschland zum Durchbruch verholfen. Die Uraufführungen fanden ab 1926 in Osnabrück, Hamburg, Berlin, Leipzig, aber auch in Zürich, Mährisch-Ostrau, Prag statt. Die Wiener Großbühnen versagten, hingegen hatten mehrere unserer Kleinbühnen erhebliche Verdienste. Zahlreiche Photos zeigen Szenenbilder von Aufführungen aus früherer und neuester Zeit.

Man sieht aber auch so manche Freunde Horväths im Bild. Auf einer der Tafeln liest man in der Wiedergabe eines Briefes an Franz Theodor Csokor die Aufmunterung, er möge am „Loyola“- Stück Weiterarbeiten. Nebenbei: Es ist längst fertig, wir haben es bis heute nicht gesehen. Eben die Briefe an Csokor, und zwar bisher unveröffentlichte, die im Ausstellungskatalog abgedruckt sind, erweisen besondere Herzenswärme. Horväth gibt ihm weitere Ratschläge: „Arbeite das, was du mußt! Immer nur, was dir Freude macht.“

Erschütternd wirkt die Karte Horväths an seinen Bruder vom 30. Mai 1938, einen Tag, bevor ihn der Baum auf den Champs Ely- sėes tötete. Die Karte kam erst nach seinem Tod an.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung