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Ijob im Widerstreit mit Gott

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Wohl noch nie ist vom Ijob der Bibel in Philosophie und Literatur soviel geschrieben worden wie in unserem Jahrhundert, das auch einmal als Jahrhundert des Leidens von weltweitem Ausmaß in die Geschichte eingehen dürfte. ,

Es ist freilich nicht der fromme Dulder der kirchlichen Tradition, der große Geister der Neuzeit immer wieder fasziniert hat, sondern die leidenschaftliche Stimme des Protestes gegen unverschuldetes, unzumutbares Leid, die etwa Kierkegaard 1843 schreiben ließ: „Das ist das Große an Hiob, daß die Leidenschaft der Freiheit bei ihm nicht erstickt und zur Ruhe gebracht wird in einem verkehrten Ausdruck.“

Ernst Bloch läßt in seinem „Prinzip Hoffnung“ 1959 Ijob den Auszug aus Gott, die Aufkündigung des Gehorsams vollziehen. Tatsächlich vermag manche dieser modernen Interpretationen Anliegen und Kern des biblischen Buches oft besser zu charakterisieren als das Wort vom „Dulder“.

Vielleicht hätte auch die Kirche den großen Anfechtungen des leidenden Menschen heute gelassener begegnen können, wenn sie sich für die theologischen Horizonte des Buches schon früher offengehalten hätte, die schon Martin Luther in seiner Vorrede zum Hiobbuch umrissen hat: „Aber da ihm der Tod unter Augen geht und Gott sich entzieht, zeigen seine Worte, was für Gedanken ein Mensch habe wider Gott, wie ihm dünkt, daß Gott nicht Gott, sondern eitel Richter und zorniger Tyrann sei.

-Das verstehen allein die, so auch erfahren und fühlen was es sei, Gottes Zorn und Urteil leiden und seine Gnad verborgen sein.“

Der Ijob der Bibel war im Alten Orient keineswegs der erste, der sich in seinem Leid mit Gott auseinandersetzte und ist bis heute nicht der letzte geblieben, wohl aber einer der leidenschaftlichsten.

Gestalt und Buch Ijob sind Zeugnis für Recht, Möglichkeit und Würde der freien Äußerung menschlichen Leids vorGott. Dies geschieht in solcher Kühnheit, die oft an Blasphemie grenzt, daß man nur froh sein kann, daß Ijob bereits unverrückbar zum Kanon der Bibel gehörte, bevor kirchliche Zensoren ihr Werk begannen. Ebenso erstaunlich ist, daß in Ijob 42,7 Gott selber die Freunde tadelt, die Gott verteidigen und Ijob ins Unrecht setzen wollten, daß er aber von Ijob anerkennt, daß er recht von ihm geredet habe.

Selbst außerhalb der Bibel wird selten deutlicher, wie Leiderfahrung tatsächlich das Antlitz Gottes verdunkeln, ja bis zur Fratze eines Tyrannen verzerren kann, der den Menschen im Sturm niedertritt, in den Kot taucht und die Weltordnung dem Chaos preisgibt (vgl. Ijob 9,17.24.27).

Die Tatsache, daß die Äußerung solch bitterer Erfahrungen ihren legitimen Platz in der Bibel hat, ist nicht hoch genug zu veranschlagen. Dies sollte uns davor bewahren, vorschnell mit dem Verdikt des Unglaubens zur Hand zu sein, wo ein barbarisches Zuviel an Leid zum „Felsen des Unglaubens“ (Büchner) wird und zur Anklage Gottes führt.

Zum anderen sollten wir uns fragen lassen, ob wir in Kirche und Gesellschaft oder im eigenen Umkreis Räume und Möglichkeiten bieten oder schaffen, wo der leidende Mensch zu Wort kommen kann und ohne (vor)eiligen Trost auch wirklich gehört wird, wie Ijob es leidenschaftlich von seinen Freunden und von Gott fordert.

So seltsam es klingen mag, der klagende und anklagende Ijob ist zugleich einer der großen Zeugen des Glaubens. Selbst die Lästerungen Gottes, der harte Streit um sein Recht, das er verbissen verteidigt, wollen den göttlichen Dialogpartner zu einer Antwort bewegen, auf die er um keinen Preis verzichten will. „Er mag mich töten, ich harre auf ihn, doch meine Wege verteidige ich vor ihm“ (13,15).

So wird heimlich und auch laut bei Ijob die Stimme unzerstörbarer Hoffnung und des Vertrauens auf den Schöpfer spürbar (14, 15), der sein Werk nicht vernichten wird. „Doch ich, ich weiß, mein Löser lebt... Nachdem sie meine Haut sosehr geschunden, werde ich von'mei-nem Fleische Gott schauen.“ (19,25f). Ijob flieht vom Gott erfahrener Untreue zum Gott der Verheißungstreue, mit dem er trotz äußerster Belastung das Gespräch nicht abbricht. Was Luther einmal vom Gebet sagt, es sei wie ein Schiff, das gegen reißende Strömung flußaufwärts fährt, gilt auch von den Dialogen Ijobs. Darin dürfte die größte und schwierigste Herausforderung des Buches für den leidenden Menschen liegen.

Herausforderung ist auch die Antwort Gottes mit dem Versuch einer Vermittlung auf die zermürbende Frage nach Ordnung und Sinn der Welt, für deren Chaos Ijob Gott verantwortlich macht.

So offenbaren die Gottesreden (K. 38-41) wiederum die Würde des Leidenden, dem Gott Antwort gibt, aber auch Gott als souveränen Herrn über alle Mächte des Chaotischen und Bösen, symbolisiert in der Welt der Tiere. Wichtiger als die Frage nach Art und Ursprung des Bösen oder ein forcierter Abschied vom Teufel ist dort das Vertrauen auf den souveränen Gott, in dem allein die Realität des Bösen in seinen vielen Gesichtern bestanden werden kann.

Neben dem Ringen und diesem denkerischen Versuch des Ijobbu-ches ist aber auch das Zeugnis der Erfahrung geschenkter Gemeinschaft mit dem Gott Ijobs ganz ernst zu nehmen, das am Ende eines solchen Weges stehen kann: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen, jetzt hat mein Auge dich geschaut!“ (42, 5) bekennt ein innerlich gewandelter Ijob nach seiner Gottbegegnung.

Gewichtiger als eine umfassende rationale Antwort auf Fragen des leidenden Menschen (gibt es sie überhaupt?) scheint der Bibel das Beispiel der Gestalt Ijobs, der mit Gott ringt und auch im Dunkel an ihm festhält - als Zeichen, mit welcher Ausdauer, Freiheit und Leidenschaft Auseinandersetzungen um letzte Fragen zu führen sind. Dabei gebührt auch denen Verständnis und Respekt, die solchen Ringens müde werden.

Wer Ausschau hält nach einer menschlicheren Antwort und Bewältigung des Leides, als sie uns in der einsamen und harten Gestalt Ijobs vorgestellt wird, sei verwiesen auf die Gestalt des leidenden Gottesknechtes in Jesaja K. 52,13-53,12. Dort deutet ein Prophet unter den Verbannten Babylons im 6. Jh. v. Ch. seine eigenen und die schmerzvollen Erfahrungen Israels im unerhört kühnen Wort (vielleicht einem der ersten der Welt!) über den positiven Sinn von Leiden, das freiwillig angenommen, anderen zur Kraft der Vergebung und Rettung wird.

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