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Im äußersten Kreis: Die Nichtglaubenden

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Am 6. August 1964 veröffentlichte Papst Paul VI. seine erste Enzyklika, „Ecclesiam Suam“, die „Magna Charta“ des Dialogs innerhalb und außerhalb der Kirche; sie lädt - im Geist des II. Vatikanischen Konzils - dazu ein, allen Menschen mit der gleichen Sympathie zu begegnen, auf alle bereitwillig zu hören und nach einer möglichst breiten Gesprächsbasis mit allen Menschen zu suchen.

Der Papst spricht bekanntlich in dieser Enzyklika von drei konzentrischen Kreisen, deren äußerster die gesamte Menschheit - also auch die Nichtglaubenden - umfaßt, während der mittlere die Anhänger der nichtchristlichen Religionen und der innerste die nichtkatholischen Christen einschließt. Diese drei Kreise sollten die Aufgabenbereiche von drei Ämtern des Heiligen Stuhles werden: zwei davon - die Sekretariate für die Einheit der Christen und für die nichtchristlichen Religionen - bestanden beim Erscheinen der Enzyklika bereits, während das Sekretariat für die Nichtglaubenden erst am 9. Februar 1965 errichtet und dem Vorsitz des Erzbischofs von Wien, Franz Kardinal König, unterstellt wurde.

Kein Interesse an Gott

Wie arbeitet dieses Sekretariat und welchen Beitrag zum Dialog der Kirche mit der Welt des Unglaubens leistet es? Vorher noch: wer sind die Menschen, die war - oder die sich selbst - als Nichtglaubende bezeichnen?

Die verschiedenen Antworten auf diese Fragen, die sich sowohl in der Enzyklika „Ecclesiam Suam“ als auch in den Konzilsdokumenten („Ad Gentes“ und „Gaudium et Spes“) und im Apostolischen Schreiben „Evangeln Nuntiandi“ finden, bringen die Vielschichtigkeit des Problems klar zum Ausdruck. Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet man als Nichtglaubende für gewöhnlich jene Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen, nicht an die Existenz Gottes glauben oder ganz einfach die Frage nach Religion und Transzendenz aus ihrem Leben ausklammern und -’selbst wenn sie getauft sind -r SO leben, als ob es keinen Gott gäbe. Wie groß die Zahl dieser Nichtglaubenden in der heutigen Welt ist und wie rapid sie ansteigt, bedarf keines besonderen Beweises.

Der Dialog der Kirche mit der modernen Welt kann daher nicht von einem Dialog mit den Nichtglaubenden absehen, für den es freilich keine andere Grundlage gibt, als die allen gemeinsame menschliche Natur und den Willen zur gemeinsamen Förderung echter menschlicher Werte.

Hier stehen wir jedoch vor einer weiteren Frage: Karin sich das Wirken der Kirche auf einen Dialog mit den Nichtglaubenden beschränken? Müßte es nicht vielmehr auf ihre Bekehrung abzielen?

Zweifellos steht der Dialog mit den Nichtglaubenden nicht außerhalb der Mission der Kirche, der Evangelisierung, auch wenn sein unmittelbares Ziel nicht die Bekehrung ist. Man könnte ihn wohl am besten als eine Vorstufe der eigentlichen Evangelisierung bezeichnen: Abbau von Vorurtei- len, bessere gegenseitige Kenntnis, Festlegung eventueller gemeinsamer Ziele zum Wohl der Menschheit. Darüber hinaus vermittelt eine vertiefte Kenntnis des modernen Unglaubens, seiner Ursachen - Säkularisierung und Säkularismus, Verstädterung, Bevölkerungsverschiebungen, Ausbreitung materialistischer und atheistischer Ideologien und Weltanschauungen, manchmal das Fehlen eines gelebten christlichen Zeugnisses - und seiner Auswirkungen wertvolle Hinweise für jede seelsorgliche Tätigkeit sowie für eine zeitgemäße Glaubensverkündigung, die einer weiteren Verbreitung des Unglaubens entgegenzuwirken vemag.

Nachdem also die Konzilsdokumente und die Enzyklika „Ecclesiam Suam“ die neue Haltung der Kirche den Nichtglaubenden gegenüber zum Ausdruck gebracht hatten, setzte sich die Bischofssynode von 1974 - deren erster Vizepräsident Kardinal König war - neuerlich eingehend mit dem Verhältnis der Kirche zum modernen Unglauben und somit zu ihnen ein, gleichzeitig jedoch für eine klare Begriffsbildung und für unmißverständliche Stellungnahmen, also für eine Unterscheidung zwuschen der Glaubenslehre der Kirche einerseits und atheistischen Ideologien - selbst wenn sie „wissenschaftlich“ sein wollen - andererseits, macht doch jede unklare, „verschwommene“ Haltung sowue der Mangel an Achtung vor den Überzeugungen des Partners jeden Dialog von vornherein unmöglich und schließt die Möglichkeit eines gegenseitigen Kennenlemens aus.

Die Synode unterstrich aber auch erneut die Notwendigkeit einer Evangelisierung, die den modernen Menschen ansprechen und überzeugen und ihn so in einer säkularisierten Welt vor der Gefahr der religiösen Indifferenz bewahren kann.

In dieser Perspektive ist mm das Sekretariat für die Nichtglaubenden und seine Aktivitäten zu sehen. Wie in allen Dienststellen des Heiligen Stuhles stehen auch im Sekretariat für die Nichtglaubenden dem Kardinal-Präsidenten ein Sekretär, ein Untersekretär und ein internationales Team von Beamten zur Seite. 25 Bischöfe in allen Teilen der Welt sind Mitglieder des Sekretariats, während eine ebenfalls internationale Gruppe von Konsultoren - Priester und Laien - ihre Sachkenntnis für die Arbeiten des Sekretariats zür Verfügung stellt.

In den einzelnen Ländern sind das Studium des Unglaubens und seiner Ursachen und die Förderung des Dialogs mit den Nichtglaubenden den von den Bischofskonferenzen gewählten oder eingesetzten Bischofskommissionen und Nationalsekretariaten anvertraut (derzeit haben etwa 35 Bischofskonferenzen in allen Teilen der Welt eine Kommission für den Dialog mit den Nichtglaubenden gewählt, 22 haben ein Nationalsekretariat errichtet). Die Aktivitäten des vatikanischen Zentralsekretariats sind auf die Unterstützung dieser eigentlich Pastoralen Arbeit auf nationaler und lokaler Ebene ausgerichtet. So wurden im Lauf der vergangenen Jahre drei Vollversammlungen der Mitglieder Jes Sekretariats und zahlreiche Studientagungen für die verschiedenen Regionen oder Kontinente abgehalten, die sich mit den Ursachen des Unglaubens in der Welt von heute befassen.

„Ateismo e Dialogo“

Seit 1966 gibt das Sekretariat außerdem die mehrsprachige Vierteljahresschrift „Ateismo e Dialogo“ heraus; am 1. Oktober 1968 wuirde das Dokument „Der Dialog mit den Nichtglaubenden“ veröffentlicht und durch Kardinal König in Rom der Presse vorgestellt. Auch liegen die Akten mehrerer Studientagungen und Kongresse vor.

In den letzten zwei Jahren hat das Sekretariat für die Nichtglaubenden seine besondere Aufmerksamkeit der Problematik „Die Jugend und die Zukunft des Glaubens“ zugesandt, die bereits in zwei Tagungen - für Europa in Rom im November 1975 und für Lateinamerika in Bogotä im Dezember 1976 - behandelt wurde und die auch das Thema seiner nächsten Mitgliederversammlung im September dieses Jahres sowie auch das der diesjährigen Bischofssynode sein ward. Die pastorale Tragweite dieses Themas liegt auf der Hand.

Das Sekretariat für die Nichtglaubenden ist also nur ein kleines Rädchen im großen Mechanismus der Weltkirche; seine Wirkungsmöglichkeiten sind begrenzt, doch seine Existenz ist Ausdruck eines neuen Weltverständnisses, das sich auf allen Ebenen der kirchlichen Gemeinschaft seinen Weg bahnt.

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