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Gespräch im „eigenen Haus“
Als sich vor kurzem der Termir zum erstenmal jährte, an dem Papsl Paul VI. seine große Dialog-Enzyklika „Ecclesiam Suam“ veröffentlichte, und als dieses historische Dokument in Gedenkartikeln im „Osservatore Romano“ und in anderen Zeitschriften nochmals in seiner richtungweisenden programmatischen Bedeutung gewürdigl wurde, schien es an der Zeit, sich über die Verwirklichung des in der Enzyklika dargelegten Konzeptes Gedanken zu machen. In dem Papstschreiben wird bekanntlich zu einem Dialog der Kirche mit und in der modernen Welt aufgerufen, wobei Paul VI. die Gesprächspartner dieses Dialogs in vier Gruppen einteilt: die Menschheit als solche unter Einschluß der atheistischen Welt, die Anhänger der großen nichtchristlichen Religionen, die nichtkatholischen Christen und schließlich die Katholiken selbst.
Dialoge mit allen Brüdern
Seit Paul VI. vor nunmehr einem Jahr dieses ' Programm eines weltweiten Gespräches der katholischen Kirche entwickelte, hat der Dialog ohne Zweifel erstaunliche Fortschritte gemacht. Neben dem schon bestehenden Sekretariat für die christliche Einheit errichtete der Papst die Sekretariate für die Nicht-christen und zuletzt für die Nichtgläubigen. Die Aufgabe dieser drei Sekretariate, deren Leitung in Händen von Kardinal Bea, Kardinal Marella sowie von Kardinal König liegt, ist es, auf katholischer Seite die Kenntnis über den Dialogpartner zu vertiefen, das Gespräch selbst anzuknüpfen, auszuweiten und zielbewußt fortzuführen und die verschiedenen Initiativen auf diesem Gebiet zu koordinieren. Gewiß eine höchst bedeutsame Aufgabe, wenn das angestrebte Gespräch nicht dem Zufall überlassen werden und die Form eines planlosen und damit weitgehend zwecklosen Geredes annehmen soll.
Die Frage liegt nun nahe, ob diese Maximen, deren Richtigkeit für den Dialog mit den Nichtgläubigen, den NichtChristen und den nichtkatholischen Christen von niemandem in Diskussion gestellt wird, für den vierten Dialogkreis — das Gespräch im „eigenen Haus“ — nicht gelten. Tut denn gerade bei diesem wichtigsten von allen Gesprächen der Kirche Koordination nicht not? Ist es sinnvoll, ja kann es sich die Kirche überhaupt leisten, daß in diesem Gespräch innerhalb ihrer eigenen Grenzen aneinander vorbeigeredet wird, daß fruchtbare Vorschläge nicht an die richtige Adresse kommen und wertvolle Energien durch ein Rufen ohne Echo verlorengehen?
Es soll nicht geleugnet werden, daß das innerkatholische Gespräch auch in seiner heutigen, noch rudimentären Form etwas unvergleichlich Wertvolles, ja Unerläßliches ist. Aber sein Effekt, ohne den es ein im Grund unnützes Plaudern bleiben muß, könnte entscheidend gesteigert werden. Der von Johannes XXIII. und Paul VI. auf dem Gebiet des Dialogs mit den nichtkatholischen Gesprächspartnern so erfolgreich eingeschlagene Weg, dem weltweiten Gespräch durch in Rom errichtete eigene Sekretariate die benötigten Mittelpunkte zu geben, sollte auch hinsichtlich des innerkatholischen Dialogs beschritten werden. Der Gründung der Sekretariate für die christliche Einheit, für die Gläubigen der nichtchristlichen Religionen und für die Nichtgläubigen müßte sich folgerichtig auch die
Errichtung eines eigenen Sekretariates für den innerkatholischen Dialog anschließen!
Ein weites Feld
Die Aufgaben, die dieses Sekretariat zu erfüllen hätte, wären überaus weit gespannt und können heute überhaupt noch nicht abgegrenzt werden. Im Sinne des in „Ecclesiam Suam“ aufgestellten Grundsatzes, daß die gegenseitigen Beziehungen der Angehörigen der katholischen Kirche den Geist eines Dialogs zwischen den Gliedern einer Gemeinschaft, deren Wesenselement die Liebe ist, annehmen sollen, müßte das Sekretariat bewußt eine brüderliche Begegnung dieser verschiedenen Glieder herbeiführen. Die Gesprächskreise, die sich hier auftun, sind unbegrenzt; sie reichen von einem Dialog zwischen den verschiedenen Ständen der Kirche über ein Gespräch etwa zwischen den Kirchen in den verschiedenen Kulturkreisen, zwischen Katholiken aus Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, zwischen Glaubensbrüdern aus Entwicklungsländern einerseits und hochentwickelten Gebieten anderseits, zwischen Stadt und Land, zwischen sozialen Gruppen sowie zwischen sogenannten „Progressi-sten“ und „Traditionalisten“ bis zum Dialog zwischen den verschiedenen katholischen Orden, Organisationen und Institutionen auf jeder beliebigen Ebene.
Das Prinzip der Begegnung im Dialog, das Einander-im-Gespräch-besser-Kennen-und-Verstehen-Ler-nen, ist jedenfalls das weitaus erfolgversprechendste, wenn nicht überhaupt das einzig mögliche Mittel, um innerhalb der Kirche jene Atmosphäre der von Christus aufgetragenen Liebe zu verwirklichen, gegen die bis heute immer wieder verstoßen wird. Voraussetzung dafür — und hier hätte das Sekretariat notfalls lenkend einzugreifen — ist jedoch, daß der Dialog nicht polemisch, sondern brüderlich geführt wird und von dem gleichen Respekt gegenüber der Meinung des Gesprächspartners geprägt ist, den wir Katholiken auch im Kontakt mit den getrennten Christen an den Tag legen.
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