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Nicht Selbstzweck, sondern Stütze

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Neben diesem wichtigen Anliegen einer weltweiten Aussprache der verschiedenen Glieder der Kirche und dem Einander-näher-Kommen hätte das Sekretariat für den innerkatholischen Dialog eine zweite, vielleicht noch wichtigere Aufgabe zu erfüllen: die von allen Kreisen der katholischen Christenheit getragene Diskussion, deren Ziel das von Johannes XXIII. geforderte „aggiornamento“, die kirchliche Erneuerung, sein müßte. Das Konzil, Hiocoo oinrimrfrsvnlle Reisniel eines fruchtbaren und in Liebe geführten Dialogs, hat in Gemeinschaft mit dem Papst die großen Richtlinien dieser Erneuerung aufgezeigt; zu ihrer praktischen Verwirklichung und ständigen Fortführung ist die Mitarbeit der ganzen Kirche unerläßlich. Das dazu notwendige Gespräch kann und wird niemals die Autorität der lehrenden Kirche, die Autorität von Papst und Bischöfen in Frage stellen. Im Gegenteil, es kann diese Autorität nur stärken. Es kann sich letztlich nur um einen Dienst an der Kirche handeln, einen Dienst, der auf Gehorsam und Liebe basiert.

Das vorgeschlagene Sekretariat hätte zur Koordinierung dieses auf die kirchliche Erneuerung abzielenden Gesprächs die Aufgabe, die geäußerten Anliegen, Meinungen und Vorschläge zu registrieren, die zuständigen Stellen damit zu befassen und — wenn nötig — einem größeren Forum zur Diskussion zu unterbreiten. Gleichzeitig könnte das Sekretariat jene Bischöfe, Priester und Laien miteinander in Verbindung bringen, die sich mit demselben Thema befassen und von deren Begegnung vielleicht neue Anregungen erhofft werden können.

Das Sekretariat dürfte sich selbstverständlich nicht damit begnügen, nur Diskussionsbeiträge und Anregungen zur Kenntnis zu nehmen. Ohne der Versuchung eines Dirigismus und Zentralismus zu erliegen, müßte es die Diskussion über manche, bisher noch ungenügend erörterte kirchliche Probleme bewußt anregen oder aber in weitere Kreise tragen. Für jene, in deren Händen schließlich die Lösung eines dieser Probleme liegt, würde das vom Sekretariat gesammelte Material aus allen Teilen der Welt eine unschätzbare Hilfe bedeuten.

Jede Diözese eine „Zweigstelle“

Es liegt auf der Hand, daß diese umfassende Arbeit unmöglich nur von einem zentralen Sekretariat bewältigt werden könnte. Es würde sich daher die Errichtung von Zweigstellen des Sekretariates in jedem Land empfehlen, vielleicht sogar in jeder Diözese. Diese nationalen Organe müßten nicht nur die wichtigsten Dialogstimmen an die Zentrale weiterleiten, sondern alle Aufgaben des Sekretariates im kleineren, nationalen Bereich übernehmen.

Vielleicht ist es zweckmäßig, die Arbeitsweise des vorgeschlagenen Sekretariates für den innerkatholischen Dialog — so wie sie der Autor dieses Artikels sieht — an Hand eines praktischen Beispiels zu erläutern: Der österreichische Pfarrseelsorger N. N. — so lassen Sie uns annehmen — schlägt in einem Artikel oder Vortrag eine Revision der geltenden Bestimmungen über die Feuerbestattung vor, weil diese die ärmeren Schichten benachteiligen. Das nationale Sekretariat registriert den Vorschlag, holt eventuell vorhandene weitere Stimmen zu diesem Problem ein, läßt es vielleicht sogar von einem größeren Seelsorgekreis diskutieren und übermittelt schließlich das so gesammelte Material den Bischöfen, anderen zuständigen und interessierten Stellen sowie an die Zentrale in Rom.

Das römische Sekretariat trägt nun — wenn das Problem über den lokalen Rahmen hinausgeht — dazu stellungnehmende Beiträge aus aller Welt zusammen. Dieser solcherart gesammelte Schatz an Erfahrungen, Meinungen und Anregungen wäre zu sichten und an die mit diesen Fragen befaßten Ämter und Kongregationen beziehungsweise an den geplanten Bischofsrat weiterzuleiten. An ihnen läge es dann, sich auf Grund des genauen Unterlagenmaterials ein Urteil zu büden und die sich eventuell empfehlenden Konsequenzen zu ziehen...

Jeder Gläubige ein aktiver Mitarbeiter

Dieses bystem eines bewußt geführten Dialogs in der Kirche, in dem jede konstruktive Meinung ihren Platz hat, hätte noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: Jedem einzelnen Katholiken würde damit das Gefühl gegeben werden, daß seine Meinung wirklich gehört wird, daß seine Vorschläge nicht im luftleeren Raum verpuffen und daß er tatsächlich sein Scherflein zum „aggiornamento“ der Kirche beitragen kann. Unter diesen Umständen wäre er sicher mit neuem Enthusiasmus zu einem Engagement in der Kirche bereit. Jeder Betriebspsychologe weiß, daß die beste Leistung in jenen Betrieben erzielt wird, wo man den Arbelt-nehmer als Mitarbeiter akzeptiert, seine Ideen und Anregungen gewissenhaft prüft und sie gegebenenfalls verwirklicht.

Das Sekretariat für den innerkatholischen Dialog hätte schließlich noch eine letzte, deswegen aber nicht weniger wichtige Aufgabe zu erfüllen: nämlich dort, wo das Prinzip des freien innerkatholischen Gesprächs mißachtet und unterdrückt wird, in Zeiten, in denen vielleicht manchen überhaupt ein solches offenes Gespräch inopportun erscheinen könnte, ein hoher und gewichtiger Anwalt für einen in Liebe geführten innerkatholischen Dialog zu sein.

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