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Ist die Schule heute ein Ort der Einsamkeit?

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Untersuchungen an Österreichs Schulen alarmierten im heurigen Frühjahr die Öffentlichkeit: Die Lernerfolge sind weit von den Erwartungen entfernt. Was tun? Die Antworten sind zahlreich. In Wien versucht man es unter anderem mit Gruppendynamik.

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Untersuchungen an Österreichs Schulen alarmierten im heurigen Frühjahr die Öffentlichkeit: Die Lernerfolge sind weit von den Erwartungen entfernt. Was tun? Die Antworten sind zahlreich. In Wien versucht man es unter anderem mit Gruppendynamik.

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Wenn Lehrer nun ihre zweimonatigen Ferien genießen und damit traditionell den Neid anderer Berufsgruppen auf sich ziehen, übersieht man gerne, mit welchen großen Mühen und Anforderungen sie während des Schuljahres konfrontiert waren.

So ist zum Beispiel die steigende Aggressivität bei Kindern der Grund für eine oft maßlose Überforderung der Lehrer. Die Schuld für dieses Verhalten wird gerne der Schule selbst zugeschoben. In Wahrheit ist sie jedoch meist nur „der Ort, an dem gesellschaftliche Zustände öffentlich manifest werden" (Minister Rudolf Schölten).

Die Schule ist heute vielfach der Ort, an dem Probleme wie Einsamkeit und Beziehungslosigkeit ausgelebt werden, nicht aber der Entstehungsgrund dieser Erscheinungen selbst! Unsere Gesellschaft delegiert gerne ihre gesamten Probleme an die Institution Schule. Sie knüpft daran auch noch eine ordentliche Portion Erwartungshaltung. So muß sich die Schule diesen Problemen stellen, nicht zuletzt deshalb, weil es primär an der notwendigen Unterstützung durch familiäre Erziehungsarbeit gefehlt hat, die das Fundament seelischerGesund-heit zu schaffen imstande ist.

Resultat: Rund zehn Prozent der österreichischen Schüler zwischen elf und 15 Jahren sind - einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge -seelisch krank.

Wenige Freundschaften

Sie leiden an mangelnder Kommunikationsfähigkeit, haben keine Freunde, sind in ihrer Klasse „desintegriert". Diese Faktoren spielen eine wichtige Rolle beim Verhalten der Kinder gegenüber Alkohol, Zigaretten und Drogen. Anselm Eder, Dozent am Soziologie-Institut der Universität Wien: „Einsamkeitsgefühle und die Unfähigkeit, befriedigende Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen, stehen in direktem Zusammenhang mit psychosomatischen Beschwerden und ungesunden Verhaltensweisen wie Rauchen und Alkoholkonsum."

Bei einer Enquete Ende Juni im Wiener Rathaus wurden zwei Projekte zur Förderung des bewußten Gesundheitsverhaltens vorgestellt. Mit dem Projekt „Werkstatt Soziale Gesundheit" erproben Wissenschafter an Wiener Schulen ein Modell, das sowohl Schülern als auch Lehrern gruppendynamische Zusammenhänge bewußtmacht. Der Umgang der Kinder miteinander und das Beziehungsgeflecht in den Klassen soll erkannt und analysiert werden. Drei Tage dauern diese „Workshops", in denen psychologische Elemente wie Körpersprache, Rollenspiel und Bewegungsübungen verwendet werden.

Das Projekt „Soziales Lernen" ist ein Modell, das für die ersten beiden Schulstufen in den Allgemein Bildenden Höheren Schulen (ÄHS) seit 1983 existiert. 23 Wiener AHS haben dieses Modell bereits mit über 50 Projektklassen durchgeführt. Es soll nun ins Regelschulwesen übernommen werden. Ein viertägiges Einleitungsseminar für die Klassenlehrer (Selbsterfahrung und Kommunikationstheorie) machen Zusammenhänge transparent und sollen die Teamfähigkeit stärken.

In der Praxis senkt das gemeinsame Planen von Unterrichtsstunden und die Förderung der Schüler-Selbständigkeit den Arbeitsaufwand auf beiden Seiten und erhöht die Motivation.

Und die Familie?

Es wird erwartet, daß diese Modelle des „sozialen Lernens" die Gesundheit von Schülern und Lehrern fördert. Experten setzen hier allerdings auf Langzeitwirkung.

Kurzfristig wäre die Aufwertung und Unterstützung unserer Familien als sicherster Garant der seelischen und damit auch sozialen Gesundheit unserer Kinder vielleicht doch auch einmal eine Überlegung wert?

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