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Jakobiner in Osterreich

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Wenn Frankreich eine Revolution hat, hat Österreich ein Revoluzzerl“ sagte Nestroyüberdie Revolution von 1848. Die Uimihen, die Österreich in den Jahren 1789 bis. 1794 erlebte, können waluv scheinlich nicht einmal als Revoluzzerl bezeichnet werden.

In Österreich schlxigen die Uhren in vieler Hinsicht anders als in Frankreich. Sympathisanten der Französi-

schen Revolution hat es in Österreich sicher gegeben - freilich, van 1789 gab es deren in Europa nicht wenige. Erst die Hinrichtung des Königs 1793 wirkte auf etliche wie eine kalte Dusche. Wenn viele den französischen E[önig als Tyrannen gesehen hatten, konnten sie doch das Todesurteil nicht gutheißen; einerseits, weil Ludwig XVI. immerhin der angestammte Herrscher war, andererseits, weil die dabei offen zutage getretene Gewalt schockierte.

Trotz der Rückständigkeit gegenüber dem westlichen Europa ist das 18. Jahrhundert auch in Österreich das Jahrhundert des aufstrebenden Bürgertums gewesen. Intellektuelle fanden sich in Geheimgesellschaften und Salons zvisammen, wo über Pohtik imd Kultur diskutiert wurde. Das Spektrum derer, die sich mit den Ereignissen in Frankreich befaßten, ist sehr breit. Nicht alles, was die Polizeiberichte - besonders späterer Jahre-als “Jakobinertum“ bezeichneten, kaim aus heutiger Sicht so genannt werden. Vielmehr muß diese Benennung für die radikalsten unter ihnen reserviert werden, die auch in Österreich einen Umsturz planten beziehungsweise genaugenommen nur diskutierten. Sie waren letztlich eine kleine Min-

deilieit und ganz im Gegensatz zu ihrenfranzoriiBchenVorbudemohne besondere Breitenwirkung.

Die eigenthchen Jakobiner lebten in den Städten. Sie trafen einander regelmäßig, diskutierten, bereiteten ihre Ideen in theoretischen Schriften auf und verfaßten revolutionäre Liederund Aufrufe, denenim Grunde nur eines fehlte: das Publikum.

Die Denker waren freilich noch mehr mit ihren eigenen Ideen beschäftigt als mit dem Bemühen um eine echte Breitenwirkung. Der bekannteste Jakobinerkreis ist der umBaron Andreas Riedel, dem auch Franz Hebenstreit von Streitenfeld angehörte. Hebenstreit hatnicht nur seine Forderungen nach Abschaffung des Privateigentums - bezeichnenderweise auf Latein - dargelegt, er scheint auch tatsächlich einen

Umsturzplan entwickelt zu haben. Ein anderer Kreis bildete sich um den Dichter und Freimaurer Alois Blmnauer. Die radikalsten und aktivsten Jakobiner waren aber im heutigen Ungarn zu finden; für sie wurde die Opposition gegen die Monarchie ja zugleich zu einer nationalen Opposition. Intere’ssanter^ weise bevorzugten die meisten Jakobinerübrigens die Selbstbezeichnung “Demokrat“.

Die für Österreich eigenthch wichtige Jahreszahl ist nicht 1789, sondem 1792, Jahr der Machtübernahme durch Franz IL Der oben erwähnte Riedel war zwar der Er^ zieher des jungen Königs gewesen, hatte aber die Chance verpaßt, über die Wissensvermittlung hinaus auch den menschlichen Kontakt zu seinem Schüler zu suchen.

Franzbeeilte sich, die Reformen, die seine beiden Vorgänger gemacht hatten, zurückzunehmen. Ein Hofdekret verbot von nun an frankreichfreundliche Bücher und Zeitimgs-artikeL Zensur und Polizeimaßnahmen zur Eindämmung jakobinischer beziehungsweise auch nur gemäßigt demokratischer Ideen wurden verschärft. Machte die Hinrichtung des französischen Königspaares 1793 * das Maß für viele Revolu-tionssympathisanten voll, so brachte es das von Franz n. zum Überlauf en. Immerhin war Marie-Antoinette seine Tante gewesen.

Edikte und Dekrete zur Bekämpfung der Jakobiner brachten laufend neue Formen der poUtischen Unterdrückung. Die Folge waren wirtschaftUche Probleme und eine Teuerungswelle, die 1794 in weiten Kreisen der Bevölkerung zu Protestbewegungen und Hungerrevolten führten. Dazu kam eine wachsende Kriegsverdrossenheit.

Der Wiener Hof heß die Franzosen für alle Mißstände verantwort-Uch sein; man sprach von einer “jakobinischen Verschwörung“. Spitzel und Überläufer fanden sich, und schon 1793 hatte die Polizei angebhch die wesent-Uchsten Informationen über die Jakobiner auf dem Boden des HeiU-gen Römischen Reiches Deutscher Nation beisammen.

Im Sommer 1794 wurden Schlag auf Schlag deren wichtigste Anführer verhaftet. Zur gleichen Zeit fiel mit den französischen Jakobinem auch ihr ideeller Rückhalt. Die Prozesse zogen sich hin und endeten in vielen Fällen miteinemTodes-urteiL

Mitte 1795 waren die österreichischen und ungarischen Jakobiner entweder tot oder zermürbt.

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