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Kehren Jesuiten nach China zurück?

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Eine erstaunliche Nachricht verlautet aus der Kuria der Gesellschaft Jesu: Die Volksrepublik China soll die Jesuiten eingeladen haben, an ihre früher in Shanghai mit so großem Erfolg geführte Aurora-Universität zurückzukehren, um dort eine französisch-sprachige medizinische Fakultät zu führen.

Einzelheiten über diese Verhandlungen waren selbst Ordensangehörigen nicht bekannt; sollte sich aber dieser Plan verwirklichen lassen, bedeutet dies eine Sensation erster Ordnung und eröffnet ganz neue Ausblicke für die Zukunft des Christentums in China. Jahrelang waren alle Versuche des Vatikans, mit der Volksrepublik Kontakte aufzunehmen, mit eisigem Schweigen beantwortet worden. Von Religionsfreiheit war keine Spur vorhanden.

Die Modernisierungspläne aber zeigen deutlich, daß China aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, die angestrebten Ziele, die Schaffung eines modernen Industriestaates bis 2000, zu verwirklichen. Vor allem fehlt eine ganze Generation von Fachleuten: die während der Kulturrevolution von der Schulbank ausgezogenen „Roten Garden“. Anderseits erinnert sich die heutige Führung daran, daß die alten Missionsschulen weithin hervorragende Pionierarbeit für den Aufbau der chinesischen Eliten geleistet hatten. Selbst unter den heutigen Kadern gibt es Graduierte solcher Schulen.

Die alte chinesische Mission wurde zwar im nachhinein auch aus katholischen Kreisen wegen ihrer Anlehnung an die Westmächte heftig kritisiert, doch entbehren diese Kritiken weitgehend der gerechten Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Hintergründe. Wenn das heutige China die Jesuiten zurückruft, wäre dies eine Anerkennung der hervorragenden Arbeit des Ordens im Dienste der Kirche und des chinesischen Volkes.

Bei der Machtübernahme Maos zählte der Orden über 1000 Mitglieder in China; heute sollen noch etwa 120 chinesische Jesuiten am Leben sein. Wie viele von den 3,3 Millionen Katholiken, von den 96 Bischöfen und 5700 Priestern, die 1949 in China wirkten, noch leben, ist ungewiß. Heute ist nur noch eine einzige Kirche in Peking offen, für ausländische Besucher, doch sollen demnächst in Kanton und Shanghai ebenfalls Kirchen für den Kult eröffnet werden.

Japanische Besucher berichten, wie vor der Südkirche in Peking Chinesen auf der Straße standen und sehnsuchtsvoll auf die Kirche blickten, die ihnen verschlossen war. Gelegentlich hört man von Priestern und Nonnen, die noch in Gemeinschaft leben, aber weltlichen Berufen nachgehen, doch ist ihnen jede apostolische Tätigkeit verboten, auch Kontakte mit Ausländern. Sie wagen nicht einmal Gaben anzunehmen.

Deshalb ist es nicht erstaunlich, daß auf den Wandzeitungen, die Sprachrohr der Massen sind, immer häufiger die Forderung nach Menschenrechten auftaucht. Mit der Bestrebung nach Modernisierung läßt sich die geistige und religiöse Unterdrückung nicht vereinen.

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