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Keine Kino-Weihnachten

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Noch in keinem Jahr bisher war Weihnachten so ohne ein „großes Filmereignis“ wie bisher. Die hierorts geübte — möglicherweise der deutschen Bundesrepublik „abgeschaute'“ — Verleihpolitik, scheuklappenbehaftet nur an den augenblicklichen Jahresumsatz denkend und willig mit immer niveauloserem Filmangebot dem schlechten Massengeschmack entgegenkommend, zeitigt nun ihre Früchte (während im Fernsehen immer mehr und bessere Filme zur Aufführung -gelangen, wofür einige dieser Verleiher unfreiwillig die Verantwortung tragen!). Die sonstigen „Weihnachtsspitzenfilme“ fehlen 1973 zur Gänze — und wie die mit viel Reklame angekündigte „Papillon“ - Verfilmung sein wird, stellt sich erst diese Woche heraus...

So bleibt nur die achte James-Bond-Verfilmung „Leben und sterben lassen'“, die in der Bundesrepublik schon vor Monaten angelaufen ist, als nicht allzu fette Sensation anzukündigen und als eine gewisse Enttäuschung der diesjährige Cannes-Preisträger „Asphalt-Blüten“; doch diese Filme hätte man genausogut mitten in der Saison herausbringen können — allzu weihnachtlich geht es in beiden Streifen nicht zu, ob sie die Fernsehkönkurrenz zu schlagen imstande sein werden, ist zu bezweifeln!

Von einer Wiener Tageszeitung durch eine auf die Nerven gehende Vorreklame bereits des kleinsten Überraschungsgags beraubt, entpuppt sich die mit dem 1954 erschienenen Roman von Ian Fleming kaum noch mehr als den Titel gemein-habende Bond-Verfilmung und ein zwar technisch superperfektes Spektakel, das aber letztlich — so wie der schwarze Bösewicht am Ende des Films — wie eine Seifenblase zerplatzt, ohne bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Durch eine gewaltigspektakuläre Zirkusshow, die mit Recht unter „Menschen (vor allem schwarze), Tiere (vornehmlich Schlangen, Krokodile und Haifische),

Sensationen (Motorbootrasereien, Autobusjagden im Stil von „Eine total verrückte Wellt“ und' „Voodoo-Zauber“)“ angekündigt werden könnte, schreitet der dritte Mr. Bond wie ein unberührt-sterilsauberer „weißer Riese“, lässig und unbeteiligt wie ein Nebendarsteller der Forsyte-Saga. Und mit dieser Besetzung steht und fällt nun einmal der ganze 007-Zauber: Sean Connery ist doch der Beste, das bleibt als Erkenntnis im Zuschauer beim Verlassen des Films (der übrigens keineswegs Rassentendenzen enthält, wie einige „Progressive“ schnell erkennen zu glauben, weil derartige Feststellungen heutzutage ja sehr modisch und fortschrittlich wirken!)...

Nicht umsonst sind im deutschen Titel des Cannes-Preisträgers „Sca-recrow'“ Anklänge an Schlesingers Meisterwerk „Asphalt-Cowboy“ zu entdecken, ich würde sagen, ganz bewußt soll bei dieser Geschichte zweier Tramps, von denen der junge am Ende in psychische Krankheit verfällt, schon von vornherein eine Assoziation im Zuschauer erweckt werden: nicht nur das Thema selbst hat eine starke Ähnlichkeit mit der New-Yorker Sozialstory, sondern auch in der Besetzung mit AI Pacino (als junger Tramp) wird sofort die Erinnerung an Dustin Hoffmann geweckt, so gleichen sich im Aussehen und Darstellungsstil die beiden Schauspieler. Nur ist in „Asphalt-Blüten“ alles noch viel dicker aufgetragen, viel effektvoll-bewußter und viel absichtlich-gewichtiger geschildert: kein noch so alter Kinorührtrick, selbstverständlich neu aufpoliert und supernaturalistisch unterspielt, wird versäumt, um angebliche Lebensechtheit zu erzielen. Diese Rechnung ging in Cannes ja auch auf und wird es bei vielen Kritiken sicher bei uns (und beim Publikum) auch tun.

Da ziehe ich persönlich doch „Samstagnacht bis Sonntagmorgen“ (im Fernsehen) vor — leider...

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