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„KeinEdio“

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„Lateinamerika läßt sich nicht mehr väterlich von oben herab als Randerscheinung behandeln“, sagte der uruguayische Industrieminister Dr. Jose Echeverry Stirling im Namen der 14 Minister und Staatssekretäre, die sich im luxuriösen Hotel „San Rafael“ in dem Badeort Punta del Este mit dem Vizepräsidenten Carlo Searascia Mugnozza und anderen Spitzenfunktionären der EWG trafen. Diese Konferenz war vom „Italienisch-Lateinamerikanischen Institut“ organisiert worden, das sich mit ihr — wohl etwas übertrieben — als Wortführer der EWG vorstellte. Im Vordergrund standen die Argentinier mit drei Ministern. Ihr Kanzler Alberto J. Vignes sagte in der Eröffnungsrede: „.. .Die Tore der EWG öffnen sich uns, wenn sie es für nötig hält, aber wir finden keinerlei Echo, wenn rein interne Gründe den Weg zum Dialog hindern, ohne Rücksicht auf die so oft gepriesene Politik der Zusammenarbeit.“ Seitdem der nordamerikanische Außenminister Dr. Henry Kissinger auf der kürzlichen Konferenz in Mexiko den „Dialog“ mit den lateinamerikanischen Außenministern hochspielte, wird eine ergebnislose Konferenz als Erfolg gepriesen, wenn man sich nach harten Vorwürfen mit gefüllten Whiskygläsern liebenswürdig auf nichtssagende Formeln einigt.

Die Lateinamerikaner warfen der EWG vor, sie als „quantite negli-geable“ zu behandeln, während Repräsentanten der EWG die lateinamerikanische Freihandelszonenvereinigung darüber belehrten, daß sie die von der EWG schon seit 1970 gewährten „allgemeinen Präferenzen“ ungenügend ausnütze. Stein des Anstoßes waren die Restriktionen, die von der EWG für die Fleischausfuhr aus Südamerika verfügt worden waren. Argentinien, Uruguay und Paraguay bildeten einen „Fleisch-Block“, der in diesen Reklamationen von den anderen Ländern unterstützt wurde. Ein Delegierter bemerkte: „Diese Konferenz riecht nach lateinamerikanischem Steak, in der italienischen Küche gebraten.“ In der Tat scheint sich Italien zum Wortführer der lateinamerikanischen Länder in der EWG zu entwickeln, womit sein Außenhandel zweifellos gefördert wird.

Man bemerkte zu Unrecht, daß sich zum erstenmal eine „lateinamerikanische Einheitsfront“ gebildet habe. Die CECLA (Spezialkommis-sion für lateinamerikanische Zusammenarbeit) hat in mehreren Konferenzen klare Forderungen erhoben und sie auch in Brüssel vorgelegt. Aber der Ton, in dem die „Entwicklungsländer“ ihre Stimme erhoben, hat sich seit der Energiekrise sehr gewandelt. Kupfer, Zinn, Blei und Bauxit sind für die westliche Industrieproduktion unentbehrlich. Lateinamerika kann bei der Preisgestaltung die Öl-Scheichs imitieren. Die „Interdependenz“ ist von einer schönen Phrase über Nacht zu einer Realität geworden. Um das anzuerkennen, bedurfte es nicht der Konferenz von Punta del Este.

Sie ist beachtlich, weil der kubanische Außenhandelsminister Marcelo Fernändez Font an ihr teilnahm. Kuba trat zum erstenmal in einer interamerikanischen Konferenz wieder auf, seitdem es in demselben Punta del Este 1962 mit einem sehr umstrittenen Beschluß aus der OAS, der Organisation der amerikanischen Staaten, ausgeschlossen worden war. Ohne mit den USA Frieden geschlossen zu haben, hat es freilich die kontinentale Blockade mit der Entsendung der argentinischen Handelsmission und ihrem Kredit von 1,2 Milliarden Dollar schon vorher spektakulär durchbrochen. Die Teilnahme Kubas an der Konferenz dürfte der Grund dafür gewesen sein, daß das unverändert anti-castristische Brasilien auf ihr schwieg.

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