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Kinder-Festival? Ja, aber anders

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Theater aus Ost und West, Nord und Süd, kamen zu den Wiener Festwochen nach Wien, um die Wiener Kinder mir für sie bestimmten Pro-duktionenzu ejffieuen. Aber die Wieher Kinder ließen sich nicht erfreuen, sie blieben daheim.

Gähnende Leere in der Volksoper, wo die Moskauer Kinderoper gastierte. Überraschend wenige Besucher, leider, auch bei der Kinderoper „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“ der Dresdner Staatsoper im Theater an der Wien. Die Musik war wohl den Eltern zu modern. Und die vielen Theatergruppen von den Trumbenich Mimes aus England über das New Yorker Street Theatre bis zum berühmten Teatro del Sole, die im Theaterzelt im Prater mit Produktionen für Kinder auftraten, mußten schon froh sein, wenn sie vor halb- bis dreiviertelvollem Zelt spielen konnten, denn im Gegensatz zu den oft überfüllten abendlichen Gastspielen war das Zelt tagsüber, bei den Kindervorstellungen, sehr schlecht besucht.

Woran lag das? Wo doch die Kindervorstellungen des Burgtheaters vor wenigen Jahren so eingeschlagen haben, daß „Die verzauberten Brüder“ von Jewgenij Schwarz zum Dauerbrenner wurden und auch die jeweiligen neuen Stücke - außer Abonnement - ständig ausverkauft sind? Ein aufnahmefähiges Kinderpublikum ist also offensichtlich in Wien vorhanden.

Der äußerst bescheidene Erfolg des Kindertheater-Festivals hat mehrere Gründe. Zum Beispiel organisatorische. Vor edlem aus ihnen wäre zu lernen. Als Anhängsel der Wiener Festwochen blieb das Kindertheater-Festival von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Es ist während der Festwochen wohl auch gar nicht möglich, auf die Öffentlichkeitsarbeit für eine solche Spezial-veranstaltung genügend Gewicht zu legen.

Die Kritiken kamen, soweit sie überhaupt zum Besuch der Kindervorstellungen ermutigten, naturgemäß zu spät. Vorausinformation und Vorauswerbung ist unerläßlich, wenn Gastspiele nur wenige Tage dauern. Mundpropaganda hat da keinen Effekt, sie kommt einfach nicht zurecht.

Nicht unterschätzen darf man den Abschreckungseffekt der Kritiker, die bereits die zweite Gruppe, die

Berliner „Birne“, nach sich zog, und der zweifellos die folgenden Gastspiele belastete. Sie mögen eine nicht geringe Zahl von Eltern zu der Ansicht gebracht haben, es könnte geboten sein/sich die die in Wien'ge-zeigten Produktionen vor einem Besuch mit den Kindern vorsichtshalber einmal allein anzuschauen, worauf sie eben ganz verzichteten. Es wäre, im Interesse der Sache, klüger gewesen, auf die „Birne“ zu verzichten oder sie wenigstens am Ende des Festivals zu zeigen.

Schließlich ist der Juni kein Idealtermin. Die Hitze ließ selbst theaterfreudigen Kindern eine Fahrt zur alten Donau verlockender erscheinen als das Schmoren im Zelt. Sieht man vom Zufall des Wetters ab, bleibt immer noch die große Müdigkeit der meisten Kinder vor den Ferien. Das Burgtheater weiß schon, warum es seine Kinderstücke vor Weihnachten zeigt.

Doch Termin und organisatorische Mängel sind nicht alles. Vieles, was gezeigt wurde, war überaus progressiv, und das heißt im Kindertheater heute leider: didaktisch. Lehrhaft. Aus unerfindlichen Gründen ist der emanzipative Zeigefinger ein besonders großer, penetranter Zeigefinger. Auch in dieser Beziehung konnte die „Birne“ als Warnung vor allem, was noch folgen könnte, verstanden werden. Und die allererste Produktion des Kinderfestivals, die überaus komödiantischen, lustigen „Trumbenich Mimes“, waren ja leider schneller schon wieder weg als sie bemerkt werden konnten.

Einen sehr intelligenten, wirkungsvollen Weg, eine „Botschaft“ in eine Story zu verpacken, fand das New York Street Theatre, das hoffentlich - mit besserer Vorbereitung - wieder einmal nach Wien eingeladen wird. Hingegen hat sich die Masche des legendären Mailänder „Teatro del Sole“, Nestroys Schiimme-Buben-Trick folgend Erwachsene Kinder spielen zu lassen, doch schon sehr abgebraucht.

Einmal mehr wurde bestätigt, daß Kindertheater vor allem vollwertiges Theater sein muß. Und nicht Schmalspurtheater. Und daß auch ein Kinderpublikum ein Publikum ist, das Belehrung allenfalls als Draufgabe, aber keinesfalls als Ersatz für Unterhaltung akzeptiert. Schlag' nach bei Bertolt Brecht...

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