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IM STREIFLICHT

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ES scheint, daß die zuständigen Behörden beschlossen haben, die Festwochen der erneuerten Staatsoper, „Wiener Opernfest 1955“, für das englischsprechende Ausland „Opera Festival“ zu nennen. Noch aber spukt in manchen Köpfen, die über schreibende Hände verfügen, das ursprüngliche Schlagwort, das in zwei Fassungen bekannt geworden ist: „Musical Coronation“ oder gar „Austrian Coronation“. Wenn das wirklich in der Bräunerstraße ersonnen worden ist, so sollte sie erröten. Solch ein Schlagwort hätte keine Katze aus England und keine Möwe aus den Staaten nach Wien gelockt. Es wäre nur für Wiener verständlich gewesen, die gewohnt sind, einen guten Milli-rahmstrudel ein „Gedicht“ zu nennen — ohne ihn freilich unter diesem Namen zu bestellen. Wo ist nun der Vergleichspunkt zwischen den englischen Krönungsfeierlichkeiten von 1953 und den Wiener Opernfestwochen von 1955 zu suchen? Es gibt nur ein Gemeinsames, und gerade daran sollten die erwarteten Gäste nicht erinnert werden: nämlich die bedenklich (oder unbedenklich?) erhöhten Preise. Und dann, eine „Austrian Coronation“ könnte politisch Anstoß erregen (l), während das Wort „Musical“ neuerdings etwas anrüchig geworden ist. Man wird also guttun, auf dieses Schlagwort endgültig zu verzichten.

IE Sendereihe „Geschichte der Musik“ bei Rot-Weiß-Rot ist bei der Gegenwart angelangt und nimmt an diesem Punkt gewissermaßen einen neuen Anlauf. Zu unserer Freude? Nein, zu unserem Kummer. Denn dilettantisch, wie die Disposition, ist leider auch die Durchführung. Was kann schon Gutes dabei herauskommen, wenn man bis zu vier zeitgenössische Komponisten, samt Musikbeispielen, in eine 15-Minuten-Sendung zu- * sammenpfercht? Außerdem sprechen hier gelegentlich Leute über Werke, die sie nie gehört und über Dinge, die sie nicht verstanden haben. Es wirkt auch absolut verfälschend, wenn man als Proben komplizierter Orchesterstücke ein paar magere (und schlecht gespielte) Takte am Klavier gibt. Davon hat weder der betreffende Komponist etwas noch der Hörer. — Sehr viel hatte der letztere dagegen von einem Vortrag über „Fug und Unfug der Zwölftonmusik“ von Professor Eberhard Preußner im Zweiten Programm des Oesterreichischen Rundfunks. Was hier in einer knappen Stunde dargeboten und durch gutgewählte Originalbeispiele erläutert wurde, war in jeder Hinsicht mustergültig für diese Art Sendungen.

TNIE „Opern-Misere“ — das ist die Ueberschrift eines Artikels in einem Zürcher Blatt, worin mit einem Seitenblick auf die Bühnen der benachbarten Länder Baden-Württemberg die wenig abwechslungsreichen Spielpläne (womit natürlich auch die Würdigung der Zeitgenossen gemeint wird) einer recht herben Kritik unterzogen scheint. „Der Spielplan___zu wenig abwechslungsreich___vielseitig und attraktiv.“ Dann schlägt der aufmerksame Leser die Anzeigenseiten auf und findet zur gleichen Zeit im Stadttheater Zürich die immerhin nicht häufige Verdi-Oper „Nabucco“; findet von Leos Janacek „Das schlaue Füchslein“; findet die deutsch-schweizerische Erstaufführung von „Les malheurs d'Orphee“ von Milhaud, „Renard“ von Strawinsky und „Le diable boiteux“ von Jean Fran-xais und außerdem die deutsche Erstaufführung einer Operette von F. Lopez „Die Schöne von Cadiz“. Nun, s o eine Misere möchten wir auch einmal haben.

T“\IE Ausstellung österreichischer Handzeichnun-gen, die die Albertina nach den USA geschickt hat und die derzeit in der National Gallery in Washington zu sehen ist, bekommt die besten Pressebesprechungen, und die freundliche Aufnahme, die die 116 wertvollen Blätter jenseits des Ozeans gefunden haben, findet ihr Echo auch in der Wiener Presse. Die Ausstellung wird in verschiedenen Städten Amerikas gezeigt werden und insgesamt durch 18 Monate unterwegs sein. Das alles freut uns sehr. Aber über der Freude wollen wir doch eines nicht vergessen: daß die Albertina in Wien seit Jahren gesperrt ist und daß ihre kostbaren Schätze den Wienern unzugänglich sind. Und auch den Grund wollen wir nicht vergessen: ein privater Mieter hat es sich im Gebäude der Albertina gemütlich gemacht und die Direktion kann ihn nicht hinausbekommen, die Kompetenzfragen sind noch nicht geklärt .. . Wenn schon unsere Graphiken den Weg in die Welt finden, so sollte sich doch irgendwie auch für den armen Mieter ein Weg finden lassen, irgendwo anders zu wohnen als ausgerechnet in einem Museum ... *

T“\AS Wahrzeichen von Mödling ist bekannter-maßen die aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammende Kirche van Sankt Othmar. Nun kommt wieder bald die Zeit, da Tausende von Ausflüglern die steile Pfarrgasse aufwärts gehen werden, da Fremde das älteste Mödlinger Bauwerk, die Pantaleonskapelle, diesen aus dem zwölften Jahrhundert kündenden Karner, besuchen werden ... und dann — ja dann wird der Blick unweigerlich an dessen Ostseite zwei breite Pfeile gewahren, die auf ein kleines Spitzbogenfenster zielen, das zur Unterkirche gehört und lesen: „A.“ — Der Fremde wird vielleicht fragen. Der Einheimische kann mit der Auskunft dienen: „Wir bewahren die Erinnerung an die Luftschutzkeller; ,A' heißt Ausstieg. Ist in Wien auch als ,N. A.' (Notausstieg) oler als ,LSR* (Luftschutzraum) zu finden; macht sich aber auf historischen Bauten zehn Jahre nach Kriegsende besonders schön.“ Noch ärger aber wird es der Fremde empfinden, daß direkt neben der Kirche ein Oertchen geduldet wird, r'as man auch mit „A“ abkürzen kann.

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