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Digital In Arbeit

Körperverletzung oder Mord?

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Die elektronische Datenverarbeitung arbeite genauer als der Mensch, zuverlässiger und schneller. Sie sei aber auch unheimlicher, unübersichtlicher und teilweise sogar eine Gefahr. Das ist das Ergebnis einer deutschen Untersuchung, bei der allerdings nur Ja/Nein-Antworten waren. Diese Ansicht der Deutschen präsentierte nun die Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung (ADV), die vorige Woche im Wiener Hotel Hilton ihren 7. Internationalen Kongreß für Datenverarbeitung im europäischen Raum abhielt. Die ADV ist mit 900 Mitgliedern die größte heimische EDV-Vereinigung.

Kommentar der Verbandsvertreter zum Ergebnis der Umfrage: „Das tut uns weh."

Ganz andere Dinge in der EDV-Branche sorgen aber derzeit für Kopfschmerzen. Etwa die Entscheidung der österreichischen Post, den regulären Betrieb des neuen Mediums Bildschirmtext (BTX) erneut zu verschieben.

Durch das neue Medium sowie mittels eines in Osterreich entwickelten Minicomputers , genannt MUPID, wird es in Zukunft jedermann von zu Hause aus möglich sein, seine Kontoauszüge auf den Fernsehschirm abzurufen, Bestellungen bei Versandhäusern mit einfachem Knopfdruck zu tätigen oder gar im Blitzverfahren mit einem anderen BTX-Teilneh-mer zu kommunizieren. Dieses MUPID-Gerät wird - genauso wie bei einem einfachen Telefonapparat — von der Post vermietet. Monatliche Gebühr: 130 Schilling.

Ein halbwegs interessanter Microcomputer, der beispielsweise mit einem Buchhaltungsprogramm versehen ist (was in Zukunft auch BTX bieten kann), liegt preislich bei etwa 20.000 Schilling. Der Preis spricht für BTX.

Der Probelauf für BTX sollte mit 29. Februar auslaufen und der reguläre Betrieb beginnen. Zwei Wochen vor der endgültigen Einführung meldete sich plötzlich die Arbeiterkammer zu Wort und verlangte ein Verbot von Geschäftsabschlüssen via BTX. Einen Tag vor der Einführung (!), um 11 Uhr, fand noch eine Krisensitzung zwischen den Interessens-vertretungen statt — obwohl man drei Jahre lang Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken.

Kurzum: Das, was BTX eigentlich für die Wirtschaft interessant macht, soll verboten werden. Offizielle Begründung der AK: Konsumenten würden dadurch zu unmotivierten Käufen veranlaßt. Was die ADV-Leute entsprechend kommentieren: „14 Tage vor der Einführung mit offensichtlichem politischen Druck das Verbot von Rechtsgeschäften zu verlangen, ist ein Mordanschlag auf das neue Medium."

Der Mordanschlag dürfte mittlerweile bloß eine schwere Körperverletzung werden. Gespräche sind angekündigt, mittlerweile wird der Probebetrieb festgesetzt.Schließlich haben nach Aussagen von Fachleuten Private etwa 200 Millionen Schilling in das neue Medium gesteckt, um daraus Kapital zu schlagen.

Österreich wäre das einzige Land von insgesamt 25, die BTX einführen, wo gleichzeitig ein Verbot von Geschäftsabschlüssen ausgesprochen wurde. Die ADV-Mannschaft: „Würden diese Vorstellungen Gesetz werden, dann wäre das neue Medium plötzlich uninteressant. Wenn man damit keine Geschäfte abschließen kann, dann ist BTX zu einem simplen Prospekt degradiert."

BTX war freilich nicht das einzige Thema des Kongresses. Im Orwell-Jahr 1984 wurden auch Zukunftsperspektiven der allgemeinen EDV erörtert. Das öster-reiche Datenschutzgesetz, so der ADV-Vorstand, würde die Gefahren, die die EDV mit sich bringt, nicht beheben. Ein krimineller Mißbrauch hänge schließlich von den Menschen ab, die am Computer tätig sind.

Auf der Pressekonferenz berichtete ADV-Präsident Wolfgang Weber, von einer Studienreise aus Japan zurückgekehrt, über die Unterschiede zwischen der europäischen EDV-Situation und jener in Japan. Zusammenfassend: Was uns die Japaner auf dem Bereich der Hardware voraus hätten, könnten wir Europäer mit unserer Software, also Programmkenntnissen, wieder wettmachen. Die Japaner hätten größte Probleme im Bereich der Software, vor allem wenn es um den Export nach Europa gehe: Die angebotenen Programme in eine Unzahl europäischer Sprachen zu übersetzen, das sei von den Japanern bislang noch nicht bewältigt worden.

Und schließlich, meinte Weber, stünden wir vor einer neuen Bildschirmtechnologie. Die neuen Bildschirme seien nicht mehr flach (wie sie derzeit in Europa gepriesen werden), sondern bestünden vielmehr aus färbigen Flüssigkristallen, die eine hohe Auflösungsdichte aufweisen und in Zukunft das herkömmliche Fernsehbild ersetzen könnten.

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