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Krise trotz großem Erfolg!

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Die großen Namen, die Stars der Wiener und großteils auch der internationalen Graphikszene fehlen zwar; aber dahinter steckt auch Absicht: die Intention des Graphikbiennale-Leiters Mario Decleva, diese Schau in der Wiener Secession (bis 28. August) nicht bloß zum Rummelplatz der Groß- und Altmeister und der Galerie und Sammlerinteressen zu machen, sondern hier bewußt ein möglichst breites Spektrum zu zeigen… Was tut sich denn wirklich auf der jungen Graphikszene, abseits der alternden Popstars, Surrealisten oder auch abseits der Wiener „Päpste”, aus der realistischen oder phantastischen Szene?

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Die großen Namen, die Stars der Wiener und großteils auch der internationalen Graphikszene fehlen zwar; aber dahinter steckt auch Absicht: die Intention des Graphikbiennale-Leiters Mario Decleva, diese Schau in der Wiener Secession (bis 28. August) nicht bloß zum Rummelplatz der Groß- und Altmeister und der Galerie und Sammlerinteressen zu machen, sondern hier bewußt ein möglichst breites Spektrum zu zeigen… Was tut sich denn wirklich auf der jungen Graphikszene, abseits der alternden Popstars, Surrealisten oder auch abseits der Wiener „Päpste”, aus der realistischen oder phantastischen Szene?

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Decleva hat mit seiner Jury von 1058 Künstlern aus 38 Ländern ausgewählt (was für den internationalen Ruf des Unternehmens spricht!). 285 Arbeiten von 89 Künstlern aus 24 Ländern werden gezeigt. Und eine Hommage für Giorgio Morandi, dessen Radierungsoeuvre jnit 40 seiner besten Blätter sehr gut präsentiert ist.

Morandi ist als Maler vor allem mit seinen graubeigebraunen Stilleben mit Flaschen weltberühmt geworden. Seine Radierungen zeigen ebenfalls dieses Motiv, rücken daneben aber auch seine „atmenden” Blumensträuße und „lebenden” Landschaftsmotive in den Vordergrund, in denen Morandis Tradition von Chardin und Corot her spürbar wird. Einfach gestrichelte, schraffierte Arbeiten, von außerordentlicher Schlichtheit und Eleganz des Sparsamen. Ein behutsamer Künstler, der seine Umwelt besonders genau und liebevoll beobachtete, aber den Menschen fast aussparte.

Die Biennale selbst muß man mehrmals sehen, um diese Fülle an zum Teil sehr eindrucksvollen Blättern werten zu können.

Keine Frage aber, daß die Japaner in diesem Rahmen den stärksten Eindruck hinterlassen. Technisch halten sie die Spitze, zum Teil auch geschmacklich. Vom Altmeister Kunito Nagaoka, dessen phosphoreszierende Landschaftsau|b laiche an kühne Büh- nenbilder.erii^iern, über den unerhQrt sensiblen Slusumu Sakaguclii, der mit Acryl farblich wundervoll sanfte Meditationsblätter gestaltet (abstrakte Seurats möchte man fast sagen) bis zu den realistischen Fragmenten Tanaka Takashis oder zu Sonobes konstruktivistischen Stangenverquerungen.

Fast alle heute gängigen Tendenzen graphischer Kunst und Techniken sind vertreten: alphabetisch von Peter Ackermanns realistisch sich gebärdenden Architekturfragmenten bis zu Wolfgang Zimmermanns popigem Aschenwandbehälter; oder in Trends von Neo-Dada-Collagen des Kanadiers de Charmoy („Jeux”, „Sommer in Messina” - Ketten von Assoziationen, umgesetzt in Bildkombinationen) bis zu den raffinierten farbanalytischen Versuchen, etwa des Amerikaners Curman, bis zum Konstruktivismus des Schweizers Lötscher, bis zu photo dokumentarischen Arbeiten in Land Art, Zahlenkombinatorischem, Schriftexperimenten oder den privaten, ein wenig an unseren Walter Pichler erinnernden Mythologiekonnexen des Brasilianers Portillos oder den poetisch-analytischen Assoziationen auf den Blättern des Israeli Jushua Griffit.

Österreich hat dabei einen kleinen Anteil, wenngleich manches sich da etwas bescheiden ausnimmt. Dworak, Skircka, Heuer, Bischof - finde ich - hinken den besten Arbeiten nach, Fleck besteht dank seiner Originalität.

Der Erfolg auf dieser Biennale ist also seit drei Jahren geradezu eine Konstante. Sie hat sich als wichtig erwiesen, um über internationale Trends hier zu info rmieren. Sie war für Künstler, Sammler, Publikum stets eine Attraktion. Doch nun? Die Biennale steckt in der Krise. Denn ihr Chef, Mario Decleva, will seine „Schöpfung” endlich einem Nachfolger überlassen, ohne allerdings einen zu finden. Geld ist vorhanden: Bund, Gemeinde, Länder, die Secession schießen genügend zu. Es wäre mehr als bedauerlich, ja ein Verlust, wenn diese wichtige Veranstaltung selig entschlafen sollte.

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