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Krisenvorsorge in der Krise

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Die Krisenvorsorge, für einen neutralen Staat unverzichtbar, steckt bei uns noch immer in der Krise. Im Westen Österreichs bemüht man sich zumindest darum.

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Die Krisenvorsorge, für einen neutralen Staat unverzichtbar, steckt bei uns noch immer in der Krise. Im Westen Österreichs bemüht man sich zumindest darum.

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Wir leben in einer Welt permanenter Krisen und es ist nur selbstverständlich, wenn man sich auch in einem neutralen Land über das Problem,.Krisenvorsorge" Gedanken macht. Leider ist man in Osterreich auf diesem Gebiet über die Idee kaum hinausgekommen.

Eine rühmliche Ausnahme macht Vorarlberg. Und auch in Tirol gibt es immer wieder Anläufe, es dem Bodensee-Ländle gleichzutun.

Als Landesrat Christian Huber anläßlich der Budgetdebatte wieder einmal die Realisierung einer Zwei-Wochen-Bevorratung an Speiseöl, Zucker und Reis beantragte, mußte er allerdings eine neuerliche Ablehnung hinneh-' men. Der benötigte Betrag von rund 6,2 Millionen Schilling konnte im Jahresvoranschlag nicht untergebracht werden.

Andererseits befaßt man sich in der zuständigen Abteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung nun immerhin mit der Ausarbeitung eines Bevorratungskonzeptes, das im kommenden Frühjahr vorliegen dürfte.

Es geht dabei vor allem um eine genaue Analyse der Nahrungs-,

Energie- und Rohstoff Situation in Tirol. Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen wird berücksichtigt, daß in Tirol im Jahresschnitt ein Vorrat an Brotgetreide für sechs Monate und an Futtergetreide für vier Monate gelagert ist.

Allerdings erfolgt diese Lagerung im Rahmen der Siloaktion nach dem Marktordnungsgesetz und ausschließlich nach marktpolitischen Erwägungen. Im Krisenfall würde zunächst der Bund über die Verwendung dieser Vorräte entscheiden.

Das schlechte Beispiel des Bundes ist weitgehend auch für die mangelnde Krisenvorsorge in den Ländern verantwortlich.

Landesrat Huber: „Die unbestreitbare Notwendigkeit, Vorräte für Krisenfälle anzulegen ist überschattet von der seit Jahren nicht erfüllten Forderung an den Bund, ein Bevorratungsgesetz mit flankierenden steuerlichen Maßnahmen zu erlassen. In der Schweiz und in Schweden ist das eine Selbstverständlichkeit. Mit Hilfe von steuerlichen Anreizen und durch Subventionen legt man dort Pflichtlager im Bereich des Handels und private Vorratslager an. In Osterreich gibt es lediglich eine Bevorratung für Erdölprodukte, womit wir eine internationale Verpflichtung erfüllen. Die regionalen Bedürfnisse bleiben dabei leider unberücksichtigt."

Das Schweizer System der Bevorratung wurde anläßlich der Konstituierung des Landes-Ver-sorgungs-Sicherungsausschusses im Herbst 1981 dem Bund als Modell empfohlen. Österreich besitzt sogar in mancher Beziehung, vor allem bei der Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Erdölprodukten, bessere Voraussetzungen als die Eidgenossenschaft, aber es mangelt an der Koordination und an einer Gesamtregelung. ,

Wer in Tirol mit zuständigen Politikern und Beamten über dieses Thema spricht, bekommt immer wieder den Hinweis auf diesen Mangel zu hören. „Ohne gesamtösterreichische Regelung sind in den Ländern nur begrenzte Aktivitäten möglich", meint Hofrat Josef Pig vom Amt der Tiroler Landesregierung.

Allerdings: „Freie Marktwirtschaft und Krisenwirtschaft lassen sich allerdings nur schwer vereinbaren. Sicher ist auch, daß sich eine Finanzierung der Bevorratung nicht ausschließlich über den öffentlichen Haushalt bewerkstelligen läßt. Ähnlich wie in der Schweiz braucht es hiezu die durch steuerliche Begünstigung motivierte Mitarbeit der Wirtschaft und der Bevölkerung."

Ein Bevorratungskonzept und ein entsprechender Maßnahmenkatalog werden in Tirol also in absehbarer Zeit vorliegen. Bis zu welchem Zeitpunkt es jedoch zu effektiven Maßnahmen kommt, läßt sich vorerst nicht abschätzen.

Möglicherweise geht es mit der Krisenbevorratung wie mit dem Katastrophenschutz: Die Organisation ist optimal. Für jede Gemeinde bestehen ein Katastro-phenschutzplan und eine Einsatzleitung, ähnliche Einrichtungen gibt es auf Bezirks- und Landesebene. Für die Bestückung der Lager konnten jedoch bisher nicht die Mittel aufgebracht werden.

Trotzdem hat der Katastrophen- und Zivilschutzbeauftragte des Landes Tirol, Hofrat Otto Schimpp, die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß er letztlich bei den Finanzgewaltigen auf mehr Verständnis stößt. Vielleicht trägt die Polenkrise dazu bei, die Vorsorgebereitschaft zu wecken — und zwar nicht nur in Tirol!

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