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Londons Krieg gegen Saddam

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Mehr als jedes andere europäische Land betrachtet Großbritannien die Auseinandersetzungen am Golf mit Hoffnung und Bangen. Es ist schließlich Londons eigener Krieg. Britische Tornados zertrümmern im permanenten „Blitz" gegen Saddam irakische Flugplätze. London beklagt seine ersten gefallenen oder gefangenen Piloten. Die britische Kriegsmarine und die Panzerdivisionen stehen bereit zum Einsatz für die blutige Landschlacht.

Gleich Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg und Margaret Thatcher im Falklandkonflikt ist

John Major nach kaum fünfzig Tagen in Downing street 10 zum „war leader" geworden. Diese Feuerprobe hat Großbritanniens jüngster Premier in diesem Jahrhundert bisher in einer Weise bestanden, die ihm die Anerkennung der Bevölkerung und der Oppositionsparteien sichert. Von Anfang an war Majors Einstellung unerschütterlich: Der Aggressor muß aus Kuweit vertrieben werden, appeasement ist gegen Diktatoren fehl am Platz. An der endgültigen Niederwerfung des Gegners hegt Major keinen Zweifel. Aber er sieht schon weiter: Wenn der Krieg siegreich beendet ist, dann muß erst noch der Frieden in der Region gewonnen werden.

Kriegsführer Major ist in ständiger telefonischer Verbindung mit dem Weißen Haus in Washington. Das Gelingen der Operation „Wü-stensturm" hängt schließlich auch vom reibungslosen Ablauf der komplizierten Kommandostruktur der Briten ab. Von der Downing street gehen die Anordnungen zu Verteidigungsminister Tom King und dem Oberkommaridierenden Patrick Hine, beide Mitglieder des „Kriegskabinetts". Generalleutnant Peter de la Billiere ist der Chef der 35.000 britischen Soldaten am Golf. Dieser Mann ist Großbritanniens höchstausgezeichneter Soldat, vormals Haupt der Eliteeinheit SAS (Special Air Service).

Die verschiedenen Friedensbewe-

gungen werden indes nicht müde, für eine Einstellung der Kriegshandlungen zu demonstrieren. Die Bevölkerung unterstützt jedoch mit überwältigender Mehrheit die Entscheidung Majors zum bewaffneten Einsatz. Zwei Drittel halten den Krieg für gerechtfertigt.

Die entschlossene Unterstützung des Krieges macht Großbritannien jedoch mehr als andere Länder verwundbar für Terroranschläge. Doch die Insel ist alarmiert und gewappnet: Polizei, Spionageabwehr und die „Special Branche" von Scotland Yard sind im Großeinsatz.

Sofort nach Ausbruch der Feindseligkeiten haben Führer der islamischen Gemeinschaft im Außenministerium vorgesprochen und gewarnt, sie könnten die Alliierten nicht mehr unterstützen, wenn Israel gegen Saddam zurückschlägt. Der höchste Rat der Britischen Moslems rief am Wochenende zum sofortigen Rücktritt aus der Golfregion auf, Extremisten sprachen sogar von einem „brutalen Krieg" der USA gegen Saddam.

Die zahlreichen ethnischen Minderheiten aus dem Mittleren Osten erschweren den Kampf der Ordnungsmacht gegen Terror und Gewalt. Birmingham, neben Bradford und Manchester Zentrum des Islam auf der Insel, ist Schauplatz einer für die gegenwärtige Lage absurden Situation. Britische Bobbies bewachen jene Moschee, die Saddam erbauen ließ und die nach ihm benannt ist, in der Mohammedaner für den Sieg des irakischen Diktators beten.

Die islamische „Gesellschaft für Religiöse Toleranz" hat Mäßigung zu ihrem Prinzip erklärt. Ihr Leiter, Hesham El Assuhay, warf den Anhängern Saddams vor, den Koran zu brechen oder ihn nicht zu kennen.Dieser mache es den Moslems zur Pflicht, das Böse zu besiegen: „Vers 9, Sure 49 sagt ganz klar, es müsse Frieden gestiftet werden, wenn zwei Gruppen streiten. Wird eine Gruppe aber aggressiv, dann müssen alle gegen den Aggressor kämpfen. Das tut die UN-Streitmacht."

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