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Ludwig Weber f

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Ab junger Sänger der Volksoper ist er noch mit Mattia Batti- stini auf der Bühne gestanden, 1951 spielte er den Gumemanz in Wieland Wagners „Parsifal”-In- szenierung, die das Wagner-Verständnis unserer Generation revolutionieren sollte, und bei der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 war er Rocco, Komtur und Barak: Ludwig Weber ist gegen Jahresende 1974 in Wien verstorben.

Solange er noch einigermaßen gesund war, ging er manchmal zu den Generalproben, ließ sich von guten Leistungen gerne beeindrucken, wunderte sich wohl auch über manches, was heute als prominent gilt und lautstark gefeiert wird. Gab Unterricht, in einem Klappstuhl sitzend, der aus dem Zuschauerraum des Bayreuther Festspielhauses stammte. Ein alter, beleibter Mann, schwer beweglich, nach mehreren Staroperationen aus starken Brillengläsern blickend und nie dazu zu bewegen, einem Schüler Freundlichkeiten zu sagen, wenn etwas nicht wirklich gut war. Manchmal stand er auf, holte tief Luft und sang eine Phrase vor, in einem Atem, wofür jüngere Sänger drei Atemzüge brauchten, sang eine Skala vom tietęp c bis zum hohen a ohne jeden hörbaren Registerwechsel,’ mit einer Leichtigkeit der Tongebung, die ihm, dem Bassisten, ermöglichte, auf dem hohen a noch eine Fermate einzulegen, um die ihn mancher lyrische Tenor beneiden konnte.

Diese perfekte Beherrschung seiner gewiß ungewöhnlichen Stimmittel machte es ihm möglich, sein Material als Instrument zu benutzen, es nicht bloß „vorzuzeigen” oder tönen zu lassen, sondern es restlos in den Dienst der jeweiligen Partie und deren gestalterischer Erfordernisse stellen zu können. Sein Hagen klang anders als 6ein Gurnemanz, sein Ochs anders als sein Daland, aber allen Partien war als Grundlage ein ungeheuer tragfähiges mezza- voce gemeinsam, aus dem heraus er, ohne Verzicht auf Beicanto, jede deklamatorische oder dynamische Schattierung entwickeln konnte. Ludwig Weber blieb bei aller Intensität immer ein Schönsänger im besten Sinn des Wortes, und vielleicht hat gerade das seinen singulären Rang in der Verkörperung der großen Baßpartien Wagners begründet.

Auf seinem künstlerischen Höhepunkt ein wichtiges Mitglied des legendären Münchner Cle- mens-Krauss-Ensembles, in späterer Zeit der führende Bassist im Theater an der Wien mit Gastspielen an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt, eingebettet in Glanz und Ruhm heute schon nicht mehr existenter Kammersängerherrlichkeit, hat Ludwig Weber in seinen letzten Lebensjahren nie wehmütig verflossenen Theater- und Ge- ^ellschaftsstrukturen nachgetrauert. Sein Interesse galt der Gegenwart, ihren Problemen und Bezügen; der deutschen Studentenbewegung ebenso, wie der antiautoritären Erziehung seines Enkelkindes oder neuester experimenteller Musik, die sein Sohn mit einem kleinen Ensemble realisierte. Vielleicht gehören auch diese Fakten in das Spektrum seiner großen Persönlichkeit, die nun nicht mehr unter uns weilt. Ich habe ihr viel zu danken.

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