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Makabre Scherze um russischchinesische Grenzverhandlungen

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Die chinesisch-russischen Grenzverhandlungen, die vor neun Monaten nicht zum ersten Male unterbrochen worden waren, wurden am 30. November 1976 in Peking wieder aufgenommen. An der Spitze der Sowjetdelegation stand wie bisher der stellvertretende Außenminister Iljitschew. Uber die Traktandenliste wurde Stillschweigen bewahrt und weder russischen noch chinesischen Meldungen waren Einzelheiten zu entnehmen. Sichtbar wurde lediglich eine Veränderte Zusammensetzung der Sowjetdelegation. Ihr stellvertretender Leiter, Generalmajor Gankowsky, wurde am 6. Dezember 1976 aus Peking abberufen und nach Moskau beordert. Seine Aufgaben hat Generalleutnant Wassilij Fedorowitsch Lobanow übernommen. Dies kommt einer bemerkenswerten Betonung und Aufwertung der militärischen Aspekte gleich. Beide Generäle sind führende Offiziere der sowjetischen Grenztruppen, und zwar ist Gankowsky stellvertretender Stabschef, Lobanow hingegen sein Vorgesetzter, nämlich Stabschef der genannten’Einheiten.

In Peking hat man die Ablöse so verstanden, daß Moskau der Regelung des schwelenden Grenzkonflikts erhöhte Aufmerksamkeit beimißt und den Zeitpunkt nach Maos Ableben für geeignet hält, um die Beziehungen mit der Chinesischen Volksrepublik zu verbessern. Generalmajor Gankowsky war vier Jahre lang Mitglied der russischen Verhandlungsdelegation und als solches eine Verkörperung der sowjetischen Unbeugsam- keit. Er konnte keine Kehrtwendung vollführen, da dies chinesischerseits als Schwäche des russischen Verhandlungspartners interpretiert worden wäre. Seine Abberufung aus Peking könnte von den Chinesen jedoch als Signal verstanden werden, mit dem die Russen eine gewisse Konzessionsbereitschaft und ihr Interesse an der Wiederherstellung guter Nachbarschaft andeuten wollen.

Generalleutnant Lobanow war 1969 Kommandeur der sowjetischen Grenzwache im Pazifischen Distrikt, als der Konflikt zwischen Peking und Moskau wegen den Domansky-Inseln ausbrach. Sein militärisches Vorgehen war damals unmißverständlich hart und unbeugsam. In der „Prawda” und der „Iswestija” schilderte er den Konflikt in einer Form, die für Peking nichts Gutes versprach. Lobanows Einzug in den Pekinger Verhandlungssaal wurde von den Rotchinesen mit dementsprechend geringem Enthusiasmus begrüßt.

In rotchinesischen Militärkreisen herrscht übrigens eine gefährliche Euphorie in bezug auf die eigene militärische Stärke, was am besten durch einen in Pekinger diplomatischen Kreisen kursierenden Politwitz charakterisiert wird. Auch in Chiha wurden unlängst die „freien Samstage” eingeführt. Die Partei habe daher den Massen eine sinnvolle freiwillige Beschäftigung suggerieren wollen. Am ersten freien Samstag habe deshalb ein Propagandist vorgeschlagen: „Tragen wir die Große Mauer ab, um Baumaterial zu gewinnen!” Der Plan sei begeistert durchgeführt worden. Für den zweiten freien Samstag habe man vorgeschlagen: „Maclfcn wir den Gelben Fluß gerade!”, für den dritten freien Samstag: „Vertreiben wir die Sowjetarmee von unseren Grenzen und aus Sibirien!” Worauf ein chinesischer General eingeworfen habe: „Aber was machen wir dann am Nachmittag?”

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