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Marmor, Stein und Eisen bricht

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Die Umweltschäden an der Bausubstanz werden immer gravierender. Untersuchungen, die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurden, zeigen, daß nicht einmal Beton oder Marmor dagegen gefeit sind.

In den Schreibtischladen des Bautenministeriums schlummert die Studie von österreichischen Chemikern.

Unter dem sperrigen Titel „Erarbeitung mikroanalytischer Charakterisierungs-Kriterien für Schäden im Wohnbaubereich als Folge von Mikrophasenumwand-lungen" haben sich Mitarbeiter des Institutes für Analytische

Chemie an der Technischen Universität Wien mit dem Phänomen der Umweltschäden an der Bausubstanz in Österreich, speziell in der Großstadt Wien, auseinandergesetzt.

Ausgangspunkt der Studie sind internationale statistische Erhebungen, die deutlich zeigen, daß innerhalb der gesamten Umweltbelastung Schwefeldioxid (SO) an Wohnbauten den größten Schadensanteil hat.

Grob geschätzt sind etwas mehr als die Hälfte aller Wohnbauschäden umweltbedingt. Davon wiederum kann etwa die Hälfte allein auf SOj zurückgeführt werden.

Da der Sanierungsbedarf im Wohnbau zunehmend an die Grenzen der Finanzierbarkeit stößt, hat die Vermeidung von Umweltschäden Vorrang. Für Wien allein muß mit einem Sanierungsaufwand von etwa 200 Milliarden Schilling bis zur Jahrtausendwende gerechnet werden.

Um den Sanierungsaufwand be- und errechnen zu können, versucht die Studie der Wiener Chemiker Grundlagen für die Beur-teilungsmöglichkeit^en der Bausubstanz zu schaffen. Es soll damit erreicht werden, daß man den aktuellen Zustand von Mauerwerk oder Beton aufgrund normativ ausgearbeiteter Analysenschritte reproduzierbar und damit objektiv vergleichbar beschreiben kann.

Die Hälfte aller Wiener Wohnungen ist sanierungsbedürftig. 13 Prozent müssen innerhalb der nächsten zwanzig Jahre, 35 Prozent sofort saniert werden.

Wie leichtfertig die Verantwortlichen mit dem Umweltschutz umgehen, zeigt sich am Beispiel des Dampfkraftwerkes Simme-ring in Wien. Die Umweltschäden, die dieses Kraftwerk verursacht, liegen bei rund 100 Millionen Schilling pro Jahr. Der Einbau entsprechender Filteranlagen käme volkswirtschaftlich um vieles billiger als nachträgliche Sanierungsmaßnahmen.

Wohnbauschäden durch Umwelteinflüsse sind aber nicht nur in Wien festzustellen. In den obersteirischen Industriegebieten, etwa in Leoben, sind die Schäden bereits so groß, daß 40 Prozent des

Baubestandes in die Kategorie „dringliche Sanierungsmaßnahmen nötig" eingestuft werden.

Kritik an der Wohnungsverbesserung üben die Autoren der Studie auch. Sie bemängeln, daß in erster Linie Wohnungen mittlerer bis guter Qualität auf ein höheres Ausstattungsniveau gebracht wurden, während sich die Bausubstanz alterungsbedingt kontinuierlich weiter verschlechtert hat. Das trifft in erster Linie auf die gründerzeitlichen Wohnviertel zu, die in die Endphase ihrer Lebensdauer getreten sind.

Die chemische Korrosion der Baustoffe ist kostenmäßig eine der Hauptursachen der Wohnbauschäden. Der Grad der Luftverschmutzung erreicht seit Jahren Werte, die für die meisten Baumaterialien als gefährdend zu bezeichnen sind.

Hat sich das Augenmerk der Wohnbaupolitiker in den letzten Jahren auf Fragen der Wohnungsverbesserung und der Wohnungszusammenlegung — also der internen Ausstattung der Wohnungen — konzentriert, so müssen künftig die Schäden der Wohnbausubstanz verstärkt berücksichtigt werden.

Einige Zahlen aus dem Ausland illustrieren dies deutlich: Der Wertverlust für ein Durchschnittseinfamilienhaus wurde in Schweden mit 245 Schilling pro 0,5 Milligramm Schwefeldioxid in der Luft errechnet. Jeder Schwede zahlt umgerechnet 180 Schilling Wertminderung im Wohnbau durch S02-Emissionen. Für Mitteleuropa können ähnliche Werte angenommen werden.

Das Besondere an den durch die Umwelt verursachten Schäden im Wohnbaubereich ist, daß diese Schäden an Grenzflächen auftreten. Dort, wo einige Baumaterialien miteinander eine Verbindung eingehen, droht Gefahr. Das trifft auch auf den Beton zu. Diese Schadstellen sollen nun durch mikroanalytische Untersuchungen rechtzeitig entdeckt werden.

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