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Mehr Englisch in Wien

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In Wien wie in fast ganz Europa ist Englisch seit langem die weitaus wichtigste Fremdsprache. Die Bedeutung der englischen Sprache, aber auch die anderer Fremdsprachen wächst mit Wiens wachsender Bedeutung als internationales Zentrum. Neben den zahlreichen Agenturen und Abteilungen der Vereinten Nationen haben sich in Wien in den letzten Jahren zahlreiche andere internationale Organisationen und Büros angesiedelt, von der OPEC (Organisation of Petroleum-Exporting Countries) bis zu Niederlassungen von Konzernen, die mit Ländern des Ostblocks und Kleinasiens Handelsbeziehungen pflegen. Alle diese Institutionen, Organisationen, Agenturen und Büros beschäftigen ein umfangreiches und gut geschultes englischsprachiges Personal, interessiert an Bildung und Kultur. Ein großzügiger Ausbau der Institutionen, die dem Bildungshunger und dem kulturellen Bedarf dieser Menschen dienen, käme natürlich auch der einheimischen Bevölkerung zugute.

Vor allem das Bibliothekwesen sollte ausgebaut werden, um den ständig wachsenden Bedürfnissen englischsprachiger Leser gerecht zu werden. Neben dem bereits erwähnten Personal internationaler Institutionen sind hier auch zahlreiche andere Leute, die englisch lesen, unter ihnen die Studenten österreichischer Hochschulen, die englische Bücher für ihre akademische und fachliche Ausbildung benötigen, sowie zahlreiche ausländische Studenten und Wissenschaftler, die hier studieren und forschen.

Die Bibliotheken des Amerika-Hauses und des British Council bieten Wiens englischsprachigem Publikum Zutritt zu Büchern und Zeitschriften in englischer Sprache, doch ist deren Angebot kaum ausreichend für die Deckung des wachsenden Bedarfs.

Wünschenswert erscheint neben dem Ausbau vorhandener Bibliotheken vor allem die Schaffung eines Zentralkatalogs aller in Österreich entlehnbaren Bücher. Neben den Büchern des Amerika-Hauses und des British Council wären hier auch die Bibliotheken von Hochschulen und Hochschulinstituten mit einzube-ziehen. Ein solcher Zentralkatalog würde die Einführung einer Fernleihe ermöglichen, die diese Bücher in ganz Österreich zugänglich machen könnte.

Die Kosten eines solchen Projekts könnten zumindest teilweise aus Benützergebühren gedeckt werden. Zusätzlich könnte auch mit Subventionen von internationalen Institutionen und Organisationen gerechnet werden, da deren Personal ja eine derartig vergrößerte Auswahl an Büchern schätzen würde. Auch lokale Bildungsinstitutionen würden vermutlich zur Kostendeckung beitragen.

Benjamin Franklin (1706 - 1790), einer der Gründerväter der USA, schrieb in seinen Memoiren den in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in amerikanischen Städten errichteten Leihbibliotheken eine epochale Bedeutung zu. Diese Bibliotheken hätten wesentlich zur Bildung und zum politischen Bewußtsein der Einwohner Amerikas beigetragen und damit die Grundlage für die verantwortungsbewußte Staatsbürgerschaft gelegt, die die Grundlage der Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika bildete.

Die hier vorgeschlagene Fernleihe mittels eines Zentralkatalogs könnte möglicherweise über die Grenzen Österreichs hinausgehen und sollte nicht auf englische Bücher beschränkt werden.

Was den Buchhandel betrifft wäre zu wünschen, daß die Währungskurse bei importierten Büchern den regulären Umrechnungskursen angepaßt würden. Die bisweüen unmäßig erhöhten Umrechnungskurse dürften dem Abkommen von Helsinki bezüglich des ungehinderten Austausches von Ideen widersprechen. Die dadurch verringerte Gewinnspanne würde wahrscheinlich ein erhöhter Umsatz ausgleichen.

Wien erscheint auch als günstiger und vielversprechender Standort für den Ausbau von Bildungsprogrammen in englischer Sprache auf verschiedenen Ebenen, wie auch von analogen Programmen in anderen Fremdsprachen. Es gibt bereits einige kleinere englischsprachige Hochschulprogramme, deren Ausbau angezeigt erschiene.

Neben den bereits erwähnten Bibliotheken sollte auch das Netzwerk frei zugänglicher Bibliotheken erwähnt werden, die in allen englischsprachigen Ländern ihren Lesern Bücher kostenlos zur Verfügung stellen.

Ein großzügiger Ausbau von Bildungsprogrammen und Bibliotheken sollte nicht nur Wiens Bedeutung als internationale Metropole entsprechen, sondern auch gleichzeitig der internationalen Verständigung und dem Frieden dienen.

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