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Kulturelle Außenpolitik

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Nachdem im April 1938 Oesterreich seine Unabhängigkeit verloren hatte und die Sudetendeutschen „befreit“ worden waren, fühlte sich auch die Schweiz durch die totalitären Staaten, insbesondere durch den großen Nachbarn im Norden, bedroht. Es lag nahe, zvim Schutze der eigenen Unabhängigkeit die geistige Landesverteidigung zu mobilisieren, Was durch eine Botschaft des Bundesrates vom 9. Dezember 1938 vorbereitet wurde. Der Ausbruch des Krieges beschleunigte den Aufbau der geplanten Institution, und so trat die Arbeitsgemeinschaft „Pro Helvetia“ in kriegerischer Zeit zunächst mit den beiden Arbeitsgruppen „Volk“ und „Armee“ auf den Plan.

Glücklicherweise konnte man den graugrünen Rock bald ablegen und sich den eigentlichen friedlich-kultui eilen Aufgaben zuwenden, die durch den Bundesratsbeschluß vom 28. September 1949 folgendermaßen definiert wurden: Erhaltung des schweizerischen Kulturbesitzes und Wahrung der geistigen und kulturellen Eigenart des Landes; Förderung des schweizerischen kulturellen Schaffens, gestützt auf die in den Kantonen sowie in den verschiedenen Sprachgebieten und Kulturkreisen des Landes. frei wirkenden Kräfte; Förderung des gegenseitigen Austausches kultureller Werte zwischen den verschiedenen Sprach- und Kulturgebieten des eigenen Landes; schließlich — aber nicht zuletzt — Werbung im Ausland um das Verständnis für schweizerisches Gedanken- und Kulturgut.

Begründet zwar zu dem Zweck, feindliche Propaganda abzuwehren, möchte die Stiftung „Pro Helvetia“ gerade diesen Charakter — den einer staatlichen Propagandastelle — vermeiden. Und sie hat ihn auch tatsächlich nicht, weder in ihrer Organisation noch in der täglichen praktischen Arbeit. Die Schweiz lehnt nicht nur für sich die gelenkte Meinungsbildung ab, sondern möchte diese auch

nicht dem Ausland aufzwingen. Daher wurde diese Stiftung des öffentlichen Rechtes als eine nicht staatliche ins Leben gerufen und einem Stiftungsrat unterstellt, bei dessen Ernennung die verschiedenen Sprachgebiete und Kulturkreise des Landes sowie die wichtigsten Zweige des geistigen und kulturellen Lebens berücksichtigt werden. Dies entspricht der föderalistischen Struktur des Landes und seiner mehrsprachigen Kultur. Aber auch der in der Schweizer Verfassung verankerte und in der öffentlichen Meinung befestigte Grundsatz der Toleranz und der Achtung der freien menschlichen Persönlichkeit, die der „Propaganda“ nicht bedarf, ist für die Tätigkeit der Stiftung maßgebend.

Wichtig ist auch das Prinzip, Neugründungen von Vereinen und Institutionen im Rahmen der „Pro Helvetia“ nach Möglichkeit zu vermeiden und mit den bestehenden zusammenzuarbeiten, ihnen für ihre besonderen Aufgaben zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stel-stellen, ihre Tätigkeit anzuregen, sie bei ihrer Arbeit zu beraten und die verwandten Bestrebungen zu koordinieren. In der Erkenntnis, daß nur ein kleiner Apparat rasch und zweckmäßig arbeitet, wurde die gesamte Organisation auf ein Minimum beschränkt. Das Zentralbüro arbeitet mit einem für unsere Gepflogenheiten unvorstellbar geringen Personalaufwand: nämlich mit zwei Leitern (einem deutschsprachigen und einem welschen) sowie zwei Sekretärinnen.

Die vielfältige Tätigkeit der Stiftung „Pro Helvetia“ ist am besten aus ihren Arbeitsberichten zu ersehen, wobei wir unser besonderes Augenmerk auf die Auslandswerbung lenken wollen. Diese liegt heute fast ausschließlich in den Händen der „Pro He-vetia“, da die Schweizer Ueberlieferung den Abschluß sogenannter gegenseitiger „Kulturabkommen“ nicht gestattet. Der Auslandsdienst wurde besonders in den letzten Jahren intensiviert, in dem Bestreben,

die durch den Krieg aufgerichteten nationalen Grenzen zu beseitigen.

Von den jährlich zur Verfügung stehenden 600.000 Franken wurde etwa ein Drittel für Auslandswerbung ausgegeben und für folgende spezielle Zwecke verwendet: In Helsinki und Kopenhagen, Wien und London wurde eine Ausstellung schweizerischer Graphik der Gegenwart gezeigt. Die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur erhielt die nötigen Mittel, um ihre Ausstellung „Das schweizerische Bühnenbild“ von Appia bis heute in Wien, Salzburg und Hamburg zeigen zu können. Plakatausstcllungen wurden in Nord- und Südamerika, Jugoslawien, Israel, Griechenland und der Türkei durchgeführt. Eine kleine Architekturausstellung war in Bologna, Turin und Mailand zu sehen. Eine große systematische Architekturausstellung, aufgestellt in Zusammenarbeit mit den Architektenverbänden und der Eidgenössischen Technischen Hochschule, soll in füh-

renden amerikanischen Museen zirkulieren. Dem „Orchestre de la Suisse Romande“ wurde die Möglichkeit gegeben, Werke von Arthur Honegger und Frank Martin in Paris aufzuführen. Mit Hilfe der Stiftung konnten an den Internationalen Musiktagen in Konstanz Kompositionen von Heinrich Suter-meister, Conrad Beck, Arthur Honegger und Frank Martin einer großen Hörerschaft zugänglich gemacht werden. Der Akademischen Arbeitsgemeinschaft der Universität Bern wurden für Radiosendungen über die Schweiz in den Vereinigten Staaten Mittel zur Verfügung gestellt. Zahlreiche ausländische Stationen erhielten Material für Sendungen über die Schweiz. „Pro Helvetia“ gab an schweizerische Gesandtschaften und Konsulate Kulturfilme ab, die in Universitäten, Schulen und Vereinen zur Vorführung gelangen. Im Auftrag der Stiftung ist ein Dokumentarfilm über schweizerische Architektur gedreht worden. Weitere Filmprojekte wurden in Angriff genommen. Die Stiftung hat Bücher, Zeitschriften, Musiknoten und Schallplatten im Werte von insgesamt rund 30.000 Franken an ausländische Bibliotheken, Universitäten, wissenschaftliche Institute, Redaktionen, Konservatorien, Konzertgesellschaften und Radiostationen verschenkt. Eine Aufsatzreihe über die mehrsprachige Schweiz und die geschichtlichen Grundlagen des modernen Nationalstaates wurden in deutscher und französischer Sprache im Ausland vertrieben, eine Schweizer Geschichte in spanischer Sprache und die spanische Fassung eines Buches über die Schweizer Neutralität sind in Arbeit. Als besonders wirkungsvolles Werbebuch wird das kluge und instruktive Werk von Andre Siegfried („Die Schweiz — eine Verwirklichung der Demokratie“) durch die Stiftung „Pro Helvetia“ verteilt. Dem schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverein wurde eine größere Summe zur Verfügung gestellt, damit er die schweizerische Nationalbiographie in größeren Auflagen im Ausland verbreiten kann. Für die Reisen hervorragender Vortragsredner nach Frankreich, Italien, Belgien, Holland, Norwegen, Schweden, Finnland und Griechenland wurden Beiträge gewährt. Schließlich wurde im vergangenen Jahr ein Pressedienst geschaffen, der unter der Leitung von Dr. Carl Doka vor allem Kurzmeldungen über wichtige kulturelle Ereignisse ins Ausland vermittelt. Denn die Schweizer legen begreiflicherweise nicht nur Wert auf den guten Ruf ihrer Uhren und Schokoladeerzeugnisse, sondern wollen in der Welt auch -als ein kulturell reges und kunstbeflissenes Volk gelten. Nur am Rande sei vermerkt, daß die Ausstellungen von Schweizer Büchern in 23 amerikanischen Universitätsstädten einen unmittelbaren praktischen Erfolg hatte. Die Frage eigener Dokumentarfilme konnte noch nicht zu voller Zufriedenheit gelöst werden, da die Herstellung größere Summen

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