7036691-1989_51_15.jpg
Digital In Arbeit

Menschwerdung

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir sind eben alle nur Menschen!“ Mit dieser „weisen“ Feststellung versucht man, seine eigenen Unzulänglichkeiten zu erklären und entschuldigt viele Unmenschlichkeiten.

„... eben nur Menschen!“ Hätten wir mehr werden sollen? Hat Gott sich geirrt?

In wenigen Tagen feiern wir, daß Gott Mensch geworden ist. „Aber“, werden Sie sagen, „eben Gott-Mensch, gar nicht so richtig Mensch.“ Gerade das aber ist eine Irrlehre. Und immer irrt in Kirche und Seelsorge, wer das Humane geringachtet.

Jesus ist ganz Mensch gewesen, „in allem uns gleich. ..“Er zeigt uns, was der Mensch ist und wie er sein soll. Gottes Sohn kommt als Kind: weil jedes menschliche Leben so beginnt und jeder erst wachsen muß. Auch er nahm zu an Alter und Weisheit. „ Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“ Hebr 5,8. Er aß und trank, hungerte und dürstete.

Er arbeitete wie andere und konnte todmüde sein, sodaß er den Sturm am See verschlief. Er liebte die Schöpfung und teilte die Freude mit anderen. Er redete voll Geduld mit den Menschen in Not. Er hatte Freunde: die Apostel und Jünger und Frauen, die mit ihm zogen. Er erlebte Erfolg und Mißerfolg, Treue und Verrat. Er predigte Feindesliebe, übte sie aber auch.

Er kannte Angst und Versuchung und rang mit Gott im Gebet. Er weinte über Jerusalem und über den Tod des Lazarus. Er hat wirklich gelitten und ist wirklich gestorben. Als Mensch erfüllte er den Willen seines Vaters. Als Mensch wird er zum Bild des Vaters: durch Wort und Tat. In Jesus, als Mensch, ist die „Güte und Menschenliebe Gottes “ (Tit 3,4) erschienen.

„... nur Mensch!“ Ist das zu wenig? Hätte Gott seinen Sohn dann diese „Knechtsgestalt“ annehmen lassen? Zu bedauern ist nicht, daß wir nur Menschen sind, sondern, daß wir zu wenig Mensch sind. Bedauerlich, daßwirdemnicht ähnlicher werden, der für uns Mensch geworden ist.

„...in allem uns gleich, außer der Sünde.“ Ja, das letzte habe ich bisher verschwiegen. Hebt das nun alles auf? Der Mensch ist frei, sich für das Gute und Böse zu entscheiden.

Menschsein ist keine Entschuldigung für die Sünde, sondern Herausforderung, von ihr loszukommen. Und Christsein setzt das eigentlich Menschliche voraus und muß sich daran prüfen lassen. Ärgernis erregt daher, wer sich stolz als Christ bekennt, dem Nächsten aber als Mensch viel schuldig bleibt.

Zu Weihnachten feiern wir die Menschwerdung Gottes. Recht feiert nur, - der einzelne und die Kirche als Gemeinschaft - wer sich bemüht; angesichts dieses Geheimnisses selbst wieder „menschlicher“ zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung