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Mit Mut und Unbestechlichkeit

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Was sagt uns heute der Name Josef Schottel -Was blieb von der Tätigkeit eines engagierten Kommunalpolitikers, der die Menschen liebte?

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Was sagt uns heute der Name Josef Schottel -Was blieb von der Tätigkeit eines engagierten Kommunalpolitikers, der die Menschen liebte?

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Was blieb von Josef Schöffel, dem Retter des Wienerwaldes, dem unbequemen Kommunalpolitiker, der die Menschen wirklich kannte und trotzdem liebte, der aber nicht wie sein Zeitgenosse Nestroy resigniert philosophierende Satiren über sie schrieb, sondern handgreiflich und mit Bedacht etwas für sie tat?

Ein paar Denkmäler, der gerettete Wienerwald, ein heuer hundertjähriges Landeskrankenhaus in Mödling, das er einst mit ein paar Betten und viel Platzreserven gründete (die er für die Unterbringung von Geisteskranken aus Klosterneuburg zur Verfügung stellte), ein riesiges, inzwischen längst zweckentfremdetes Waisenhaus in der Mödlinger Schöffelvorstadt, in dem er nicht nur elternlose Kinder der Gegend, sondern auch solche aus allen angrenzenden Ländern der Monarchie sammelte?

Gerade dieses Waisenhaus hatte er mit besonderer Liebe umsorgt, auf jedes Detail geachtet, es mit den Erfahrungen eines ganzen Lebens statutarisch für alle Ewigkeit versehen, es mit seinem gesamten Vermögen ausgestattet, und es zunächst sogar noch seinem Freund, dem großen Anatomen Josef Hyrtl einreden müssen.

Der war damals gerade dabei, eine ihm zugeflossene hohe Jubiläums-Dotation für deutsche Hochschulen zu stiften, weil seine eigene Wiener Universität für die Medizinstudenten, für deren Ausbildung die. Zinsen gedacht waren, vier Jahre keine Stipendien aussetzte. (Solange mußte sie nämlich Steuern für die großzügige Schenkung abführen!)

Schöffel gründete einen Verein der Freunde der Hyrtl'schen Waisenhausstiftung, „um der Brandschatzung des Fiskus zu entgehen” und baute auf dem von der Gemeinde Mödling überlassenen Grund des alten Friedhofs nach und nach eine Institution für 600 Kinder aus, als deren Kurator er auch nach dem Tode Hyrtls weiterwirkte. Er nahm Waisen zwischen sechs und vierzehn Jahren ohne Ansehen ihrer Herkunft oder Ehelichkeit auf, aber auch die Kinder notleidender Witwen, ließ sie in den hauseigenen Werkstätten etwas lernen, sie bildeten dann selbst wieder Zöglinge aus.

Um die Kinder und Jugendlichen zu gleichberechtigten fröhlichen Menschen zu machen, unterband er das Handküssen und alle damals üblichen Dankesbeteuerungen — niemand durfte sie ihre Abhängigkeit fühlen lassen. Er bestand darauf, daß sie viermal in der Woche Fleisch bekamen und ihren Anteil an warmer Kleidung, forderte aber auch, daß die Anwärter auf den Freiplatz nicht mehr, „wie es leider üblich ist, in ekelhafte Lumpen gehüllt oder halbnackt und mit Ungeziefer bedeckt” in der Anstalt abgegeben wurden.

Zornig lernte er, daß der Familienbetrieb, den er sich vorstellte und mit dem er begonnen hatte, nicht aufrechtzuerhalten war, weil er trotz großzügigster Finanzierung immer mit persönlicher Bereicherung der Betreuer endete. Es spielte sich alles viel simpler ab, als in seiner Gedenkschrift festgehalten: Das Essen, das man ihm bei seinen Besuchen als Mahlzeit der Waisen vorsetzte, war der Mittagstisch der Betreuerfamilie, die Waisenkinder blieben unterernährt, während der „Vater” in ihrem Namen, aber für seine Tasche, Almosen sammelte — als verbotenes Nebengeschäft. Die Haustochter saß mit ihrem Liebhaber am Fenster und signalisierte sein Kommen, worauf „Gesangunterricht” erteilt wurde, und die verwahrlosten Kinder aus Angst vor Prügeln immer beteuerten, wie gut es ihnen ginge.

Schöffel brauchte eine Weile, um hinter den Betrug zu kommen, aber daß er es tat, geht auf seine den Dingen auf den Grund gehende Arbeitsweise und seinen persönlichen Einsatz zurück. Er handelte sofort und verfügte, daß die Pflege und Erziehung der Kinder nicht mehr weltlichen Personen anvertraut würde, „da dieselben viel zu kostspielig, weil anspruchsvoll sind und ihnen die selbstlose Hingebung für die Sache fehlt”, sondern geistlichen Kongregationen (Franziskanerinnen), daß sie aber auch nie ganz einem Orden unterstehen dürften.

Er baute eine Schule (auch für Mädchen), eine Landwirtschaft und ein Schwimmbad zu dem Komplex dazu, er überzeugte sich unablässig selbst von der Durchführung seiner Anordnungen und übersiedelte zuletzt ganz in das Waisenhaus, in dem die Kinder, die das Bedürfnis dazu hatten, ihn Vater nennen durften.

Auch die Rettung des Wienerwaldes gelang ihm nur, weil er sich mit oberflächlichen Eindrückdurch nicht wiedergutzumachende Abholzungen zu stopfen.

Er allein hatte den Mut, die aufgedeckte Korruption beim Verschleudern von Staatseigentum an die Öffentlichkeit zu bringen, wobei der Erlös gar nicht der Staatskasse zugute gekommen wäre, sondern einzig den vielseitig verflochtenen Interessen einzelner. Wegen Verleumdung angeklagt, wurde er vor Gericht gestellt, verteidigte sich selbst, und wurde nach einstimmigem Freispruch rehabilitiert.

Mit dem Bürgermeisteramt in Mödling, das er bald danach übernahm, war er nicht so glücklich. Er führte zwar die etwas verwahrloste und stark verschuldete Stadt mit seinen kühnen Plänen „aus dem Mittelalter in die Neuzeit”, war aber den dort herrschenden zähen Interessenkonflikten auf die Dauer nicht gewachsen.

Was also bleibt von ihm? Das halbleere Waisenhaus, die Landwirtschaftsschule, die Sparkasse, die Kirche und das Museum, oder die Initiierung von Wasserleitung, Straßenbeleuchtung und Hausnumerierung; von Tageszeitung, Sommertheater und neuem Friedhof, oder das Vermächtnis des „geretteten” Wienerwaldes?

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