6863916-1977_47_12.jpg
Digital In Arbeit

Musikalische CSSR-Impressionen

Werbung
Werbung
Werbung

In drei Autobussen wurde das Publikum ins Konzert gefahren: von Brünn nach Schloß Jaromerice in Südmähren. Im Ahnensaal spielte der exzellente Pianist Radoslav Kvapil auf einemdii- storischen Flügel Werke von Beeth6ven bis Skrjabin. Wenn dabei .nicht auch die Revolutions-Etüde von Chopin erklungen wäre, hätte man glatt vergessen können, daß das Brünner Musikfestival diesmal unter dem Motto „Musik - Kunstrevolution” stand. Aber auch bei Chopin behielt man Gedanken darüber, daß er seine Etüde im Zorn über die russische Besetzung seiner polnischen Heimat geschrieben hat, für sich. Es war das zwölfte Festival in Brünn, und gerade an diesem Samstag vor mittag, beim gemeinsamen Ausflug, mochten manche der langjährigen Teilnehmeretwas wehmütig gestimmt gewesen sein, weil Rudolf Pecman, der Gründer und bisherige Generalsekretär, zwar noch dabei war, aber nicht mehr in seiner Funktion, nicht mehr mit der jugendlichen Kraft zur Integration.

Denn dieses Brünn war nicht sosehr eine Folge festlicher Musikereignisse,

man abwarten. Diesmal drängten die allgemeinen Feiern zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution das Thema auf, das sich, allerdings weder im Konzert- noch im Wissenschaftsprogramm als sehr ergiebig erwies. Man hatte Mühe, Musikstücke zu finden, die mit dem Thema Revolution irgendeinen Zusammenhang haben, und Vyslouzil mußte in der Einleitung zum Kolloquium’ auf den Umstand hinweisen, daß Musik, die den Geist der Revolution anfacht, keineswegs solche sein muß, die sich revolutionärer ästhetischer Mittel bedient.

Gerade die Oktoberrevolution ist der Beweis. Welche revolutionären Kräfte wurden da in allen Sparten der Kunst freigesetzt, und wie wenig konnten sie doch die Massen erreichen. Wie schnell wurden sie von den politisch Verantwortlichen als unnütz erachtet! So überwogen denn auch in den Konzertprogrammen entschieden die späten Werke von Prokofiev und Schostako- witsch, die mit dem Elan der Revolution nichts mehr zu tun haben. Trotz- •dem bot Brünn manches Hörenswerte,

zeigte sich in Nebenveranstaltungen eine gewisse Lebendigkeit auch der zeitgenössischen Musikproduktion.

Verglichen mit dem intimen Rahmen des Brünner Festivals nimmt sich das gleichzeitige in Bratislava gewaltig aus. Die slowakische Hauptstadt ist nicht nur an Einwohnerzahl stürmisch gewachsen. Auch Ansprüche und Ziele sind groß geworden. Das Vierein- halb-Millionen-Volk hat seit 1968 eine gewisse kulturelle Autonomie und ist entschlossen, etwas damit anzufangen. Es gibt erstaunlich viele Talente, die nach Bestätigung drängen. Man holt aus dem Ausland, was gut und teuer ist. Dabei sind die finanziellen Mittel begrenzt. Doch gibt es geschickte Methoden, sie zu strecken. So holt man auf UNESCO-Basis junge Interpreten, die sich hier hur gegen Spesenersatz einer internationalen Jury, aber auch einflußreichen Managern und Rundfunkleuten vorstellen. Daß man in der Oper oft viel bessere Leistungen hört als in Prag, ist unter Fachleuten kein Geheimnis. Und Abwerber aus großen Opernhäusern in Ost und West sind immer zur Stelle.

vielmehr ein Treffen von Musikwissenschaftlern, Musikfreunden, Freunden überhaupt, über alle Grenzen hinweg. Pecman, der Wissenschaftler, war vom Musikologen-Kolloquium ausgegangen, hatte mit Konzerten und Opernaufführungen die praktischen Beispiele zum jeweiligen Thema gebracht. Er war streng in seiner thematischen Linie. Lieber verzichtete er auf einen Künstler, als daß dieser mit dem typischen Reiseprogramm kam und nichts zum Thema beitrug.

Pecman ist nicht mehr im Amt. Auf die Frage nach den Gründen gibt es viele Antworten, aber keine wirkliche. Jiri Vyslouzil, Lehrstuhlinhaber der Brünner Musikwissenschaft und seit Jahren schon Präsident des Festivals, bemüht sich mit freundlichem Eifer, den Bruch zu überbrücken und die Veranstaltung behutsam in eine neue Richtung zu leiten: weniger thematische Strenge, mehr Öffnung zum Publikum durch attraktive Interpreten. Für das nächste Jahr ist man zwar durch den 50. Todestag ganz auf Janä- cek festgelegt, was dann kommt, muß

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung