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Nicht nur Montag Unruhe
Die „Josefstadt“ auf Reformwelle. „Veränderungen, aber ohne Revolution! Keine drastische Umorganisation im Ensemble, keine wilden Experimente! Aber wichtige Entwicklungen einleiten...“: Für Professor Ernst Haeussermann sind das die Grundsätze, nach denen er die Josefstadt führen will. Denn im Herbst 1977, wenn Josefstadt-Kodirektor Franz Stoß den Hut nimmt, will er seine drei Wiener Theater im Alleingang profilieren.
Die „Josefstadt“ auf Reformwelle. „Veränderungen, aber ohne Revolution! Keine drastische Umorganisation im Ensemble, keine wilden Experimente! Aber wichtige Entwicklungen einleiten...“: Für Professor Ernst Haeussermann sind das die Grundsätze, nach denen er die Josefstadt führen will. Denn im Herbst 1977, wenn Josefstadt-Kodirektor Franz Stoß den Hut nimmt, will er seine drei Wiener Theater im Alleingang profilieren.
„Wenn ich noch einmal in den Ring steige“, findet Haeussermann, der immerhin schon als Burg-Chef wichtige Erfahrungen mit einem Großtheater gesammelt hat und seit Jahren an der Josefstadt Franz Stoß' Boulevardprogramm Paroli zu bieten versucht, „na, dann will ich hier die Kontinuität wahren, möchte gutes Schauspielertheater machen, das schließlich die Basis dieses Hauses seit Reinhardts Tagen war, möchte auch das Publikum nicht verscheuchen!“ Vordringlich scheint ihm die Regiefrage. Johannes Schaaf („Trot-ta“, „Leonce und Lena“ in Salzburg, „Schloß Wetterstein“ in München) will er für Horväth-Stücke, Jean-Pierre' Ponnelle für Beaumarchais, Günther Rennert für „kleine Klassiker“ (Goethes „Stella“, Lessings „Nathan“). Wobei Hermann Kutscher als Regievorstand und Gerhart Rindauer (bisher Internationales Musikzentrum) als Dramaturg mitarbeiten werden. Und Peter Henisch, den jungen Romancier, Autor von „Hamlet bleibt“, „Baronkarl“, „Die kleine Figur meines Vaters“, soll als Gast für ein Jahr an der Josefstadt „Werkstattatmosphäre schnuppern .. Vielleicht dramatisiert er uns seinen ,Baronkarl'. Oder vielleicht schreibt er uns ein neues Stück!“ spekuliert Haeussermann.
Fürs Haupthaus, die „Josefstadt“, plant er für fünf Jahre im voraus an die 20 Stücke der Weltliteratur: Schwergewicht auf Horväth, Schnitzler und Gerhart Hauptmann. In den Kammerspielen: musikalische Komödie, Unterhaltendes, vom „Hofrat Geiger“ bis zum „Bezaubernden Fräulein“; als Gegengewicht literarische Matineen, zum Beispiel mit Regisseuren, und dreimal jährlich ein „schwieriges Stück“, zum Beispiel Strindbergs „Gespenstersonate“. Es wird Montag nachmittags und abends aufgeführt. „Unruhe am Montag“, nennt Haeussermann dieses Experiment mit freiem Kartenverkauf und Theater der Jugend-Abobeteiligung.
Generös zeigt er sich im Fall „Kleine Josef Stadt im Konzerthaus“: „Heute noch einmal in Eigenregie ein Experiment aus dem Boden zu stampfen, ist sinnlos, das Haus jungen Gruppen zur Verfügung zu stellen, wohl das beste.“ Vorgespräche mit Dieter Haspel, dem früheren Cafetheaterchef und Tübinger Spielleiter, stehen bevor.
Hauptproblem bleibt aber die Finanzierung der Josefstädter Häuser: „Eine mittlere Gage an der Josefstadt beträgt 12.000 Schilling, eine Höchstgage 24.000 Schilling im Monat, die Burg zahlt das Doppelte, bei Regiearbeiten, wo wir nicht mehr als 50.000 Schilling ausgeben können, sogar bis zum Vierfachen. Ich finde die Burggagen realistisch, aber man kann die Privattheater nicht so diskriminieren“, appelliert Haeussermann ans Unterrichtsministerium, „22 Schauspieler der Josefstadt sind in den letzten Jahren abgewandert. Einige möchte ich zurückgewinnen und Gespräche mit Burg-Chef Achim Benning zeigen, daß er zu einem .Leihverfahren' bereit ist. Außerdem, Stars wie Jürgens und Wicki sollen hier arbeiten, interessante junge Schauspieler wie Sylvia Manas oder Klaus Maria Brandauer interessante Aufgaben bekommen. Mit Kartenpreissteigerungen ist da allerdings nichts mehr anzufangen. Natürlich macht Geld allein noch kein gutes Theater. Aber ich muß wenigstens die Möglichkeit haben, dringende künstlerische Aufgaben, künstlerisch Außerordentliches, mir leisten zu können!“
Bleibt zu hoffen, daß die Josefstadt fürs Wiener Theaterleben insgesamt in Hinkunft mehr beschert, als nur „Unruhe am Montag“.
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