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Rotgelber Witzkrieg

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Vor dem großen Chisma hätte es kein osteuropäischer Humorist gewagt, wenn er nicht lebensüberdrüssig war, dem großen Heiligen des Weltkommunismus, Mao Tse-tung, näherzutreten. In der letzten Zeit hat jedoch Mao sowohl den lageren Uncle Sam als auch den fetten John Bull, die traditionellen kapitalistischen Zielscheiben des roten Polit-Humors, verdrängt. Auch die „westdeutschen Revanchisten“ findet man in Sowjeteuropa nicht mehr so lustig und die „afro-asiatischen Neokolo-nialisten“ mußten vor den Chinesen das Feld räumen. Niemand ist mehr so lächerlich wie der Erfinder der „hundert Blumen“, dessen Ideen in Osteuropa nunmehr verwelkt sind. Peking reagierte bisher gelassen und nahm die Verunglimpfungsaktion nicht zur Kenntnis. Oder tat es nur so?

Die längste Erfahrung in der humoristischen Kriegsführung hat Jugoslawien. Titos Spaßpartisanen sprangen bereits im Jahr 1963 als Stoßtrupp an die Spitze des Feldzuges. Die jugoslawischen Zeichner und Witzbolde wurden damals ermutigt, den tierisch ernsten Maoisten viele grobe Beschimpfungen heimzuzahlen. Peking stand nämlich zuerst nur gegen Tito im Angriff, der eher mit politischen Stinkbomben und den „geistreichen“ Fußtritten einer ungehobelten Propaganda geführt wurde. Die fernöstlichen Pfeile waren nicht mit dem

Juckpulver der Ironie bestreut, sondern mit Rattengift präpariert.

Seither hat sich das Blatt auf dem Balkan gewendet. Chinesen und Jugoslawen haben sich versöhnt, Titos Humorbrigaden wurden aus der vordersten Frontlinie zurückgenommen.

Der Zwist zwischen Roten und Gelben sprengte hingegen in Sowjeteuropa alle Schleusen hinter und vor den Karpaten, vor allem auch im Tal der roten Donau, wo man seit Menschengedenken sehr viel für den guten politischen Witz übrig hatte. Sogar die Spitzenclowns der osteuropäischen Staatszirkusse dürfen in der Manege den „chinesischen Kriegshetzer“ und „Lakaien Amerikas“ verulken. Das Publikum kugelt sich vor Dachen bei solchen Spaßen:

Auftritt eines pessimistischen Budapester Spaziergängers namens Kohn-Futse, der im Jahr 2000 auf dem Mao-Tse-tung-Boulevard seinen lange nicht mehr gesehenen Freund Grün-Futse trifft. Grün-Futse zu Kohn-Futse: „Was sagst du zu unserer Befreiung durch die Chinesen?“ Kohn-Futse blickt ängstlich um sich und flüstert seinem Freund ins Ohr: „Weißt du, mein Lieber ... die jahrzehntelange russische Besetzung war nicht einmal so schlecht.'“

Sogar in Bulgarien, wo man in Sachen Humor keinen Spaß kennt, sind gewisse Chinawitze geduldet.

In Peking hingegen geht die Frage um: „Was ist das COMECON?“ Antwort: „Ein Aquarium, in dem sieben Goldfische mit einem Hai in friedlicher Koexistenz leben müssen.“

Ein anderer chinesisch inspirierter Anti-COMECON-Witz: Pjotr eilt auf einer Moskauer Straße mit einem ungepflegten, mageren Hündchen auf seinem Arm zur eben eröffneten COMECON-Bank. Vor dem Hauptportal trifft er Iwan, der sich erkundigt, wohin sein Freund denn eile. „Natürlich in die COMECON-Bank, um ein glänzendes Geschäft zu machen. Für mein Hündchen bekomme ich nämlich 10.000 Rubel.“ Iwan wartet vor dem Bankpalais, bis Pjotr wieder erscheint. Jetzt hält Pjotr zwei noch schäbigere Katzen vor die Nase Iwans. Darauf dieser schadenfreudig: „Na, wo sind die 10.000 Rubel?“ — „Siehst du nicht? Zwei Katzen, je 5000 Rubel!“

Eine andere Frucht angeblichen Pekinger Imports: „Was ist der Unterschied zwischen einem Staatszirkus und einer Spitzenorganisation des COMECON?“ — „In einem Zirkus blödeln kluge Clowns. In den COMECON-Gremien klügeln blöde Clowns.“

In der UNO-Vollversammlung werden die Kleinstaaten aufgerufen, drei Wünsche zu äußern, die ihrer Ansicht nach geeignet wären, das Verhältnis der Supermächte zu ihren Satelliten zu verbessern. Der rumänische Delegierte gibt die Wünsche Bukarests bekannt: „Erstens wünschten wir, daß 10 Millionen chinesischer Soldaten zu Fuß zu uns kämen und ebenso wieder nach Hause gingen. Zweitens wünschten wir, daß weitere 10 Millionen chinesische Soldaten unser Land au Fuß besuchten und auf demselben Wege wieder nach Hause gingen. Und drittens hätten wir denselben Wunsch, nämlich, daß 10 Millionen bewaffneter Chinesen uns zu Fuß besuchten und bald wieder heimgingen.“ Darauf Waldheim: „Was erhoffen Sie sich davon?“ — „Sehr viel. 60 Millionen chinesischer Soldaten, die durch die Sowjetunion ziehen, könnten sehr viel zur Verbesserung unserer Beziehungen zu Moskau beitragen.“

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