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Schnitzer in Lehrbüchern

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Man sollte meinen, daß Lehrbücher, die von Fachleuten bearbeitet und vom zuständigen Ministerium approbiert wurden, wenn schon nicht immer methodisch, so doch wenigstens sachlich in Ordnung sein müßten. Leider wird man auch hier häufig enttäuscht.

Was im folgenden an drei Beispielen vorgebracht wird, entstammt keineswegs einer systematischen Durchsicht, sondern wurde nach einem bloßen Durchblättern festgestellt.

Wenn man den „Unterstufen-Schulatlas“ (Verlag Freytag & Berndt u. Artaria, vom Bundesministerium für Unterricht 1979 zum Unterrichtsgebrauch an Volks

schulen, Oberstufe sowie an Hauptschulen u. allgemeinbildenden höheren Schulen für die 1. bis 4. Klasse zugelassen) aufschlägt, dann stellt man auf der Karte, Seite 80, (Apenninen- und Balkanhalbinsel, Wirtschaft) fest, daß die Insel Sardinien als Sizilien bezeichnet wird. Auf den Tafeln, wo die Tschechoslowakei aufscheint, führen die Ortsnamen mit Recht die tschechischen Bezeichnungen. Nur muß man dabei konsequent sein. Man kann nicht bei Saa? einmal Zätec (Seite 68), dann wieder Zatec (Seiten 63,67) schreiben.

Arge Fehler unterlaufen dem Verfasser (Karl Propst) der Lehrbücher „Geschichte der deutschen Literatur“, 2 Bände, vom Bundesministerium zum Unterrichtsgebrauch für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen 1970 bzw. 1973 zugelassen. Da ärgert man sich zunächst über falsche Werktitel: Tiecks Märchendrama heißt nicht

„Fortuna“ (Band I, Seite 54), sondern „Fortunat“, Rudolf Hans Bartschs Erzählungsband nicht „Das sterbende Rokoko“ (Band II, Seite 127), sondern „Vom sterbenden Rokoko“.

Es ist nicht gleichgültig, ob bei einem Buchtitel der Artikel steht oder nicht, z. B. Gottfried Keller „Das Sinngedicht“, nicht „Sinngedicht“ (Band II, Seiten 27 und 31), R. M. Rilke „Geschichten vom lieben Gott“, nicht „Die Geschichten vom lieben Gott“ (Band II, Seite 123). Fehler-solcher und ähnlicher Art finden wir bei Johannes Fischart, Jakob Böhme, Achim von Arnim, Annette von Droste-Hüls-hoff, Hofmannsthal, Sudermann und anderen. Gelegentlich wird kurz aus Werken zitiert. Auch hier Fehler, z. B. bei Luther, Klopstock,

Mörike, Grillparzer, Arno Holz, Rilke, Agnes Miegel.

Ein rascher Blick noch in ein Lateinbuch: Imperium Romanum, Lehrbuch der lateinischen Sprache, Basisbuch (Rudolf Scheer-Maria Anna Klement), österr. Bundesverlag, 1975. Dort ist auf Seite 87, § 15, bei den Erläuterungen zu den „Ad-jektiva der Mischdeklination“ als Beispiel für Adjektiva mit drei Endungen, die im Genetiv Pluralis auf -ium enden, celer, celeris, celere angeführt. Das ist falsch, denn gerade celer ist eine Ausnahme und bildet den Genetiv Pluralis auf -um. So „gewissenhaft“ werden Lateinschüler informiert!

Eine Frage ist zum Schluß wohl berechtigt: Welcher Art sind - ganz abgesehen von den Verfassern - die vom Ministerium bestellten Appro-banten, die solche Entgleisungen nicht bemerken?

Der Autor ist emeritierter Universitätsprofessor für österreichische Literaturgeschichte in Salzburg.

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