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Schuld und Strafe
Zu Weihnachten und Neujahr haben sich Österreichs Filmverleiher sichtlich verausgabt: fast alle Filme seither sind entweder unbedeutend oder von minderer Qualität. Aber man sollte nicht allein den hiesigen Verleihorganisationen die Schuld geben, sind sie doch weitgehend vom deutschen Markt, von dem, was dort synchronisiert wird und in die Kinos kommt, abhängig. Und vergleicht man das deutsche Angebot etwa mit dem, was alles in England oder Frankreich an Filmen eingeführt und gezeigt wird — ein Blick in Fachzeitschriften dieser Länder genügt —, dann kann man über den schlechten Geschmack und das tiefe Niveau nur weinen: fast ausschließlich Kommerzware erreicht die Bundesrepublik! Unsere Verleiher aber kann man zumindest nicht entschuldigen, daß sie sich in billigster Spekulation nur auf synchronisierte Filme geworfen, und damit Horizont und Niveau unseres Publikums immer mehr und mehr primitivisiert haben: Vor 1938 führte man zahlreiche originalsprachige Filme aus der Schweiz ein und ist damit unabhängig vom deutschen Markt gewesen !
So zeigt zum Beispiel das dies-wöchige Filmangebot tatsächlich unter sieben neu angelaufenen Filmen nicht einen einzigen, den ein gewissenhafter Kritiker (so es sich um einen Fachmann mit Geschmack handelt) empfehlen könnte. Weder die blasse und gesichtslose englische Komödie um die NATO mit dem Titel „Bleib mir ja vom Leib“ (trotz Shelley Winters, Lee J. Cobb, Raf Vallone und Jean-Pierre Cassel) noch die armselig-langweilige deutsche Komödie „Umarmungen und andere Sachen“ (wofür man Jean-Pierre Leaud und die total dilettantische Sydne Rome holte, aber keinen Regisseur fand!) sind im geringsten sehenswert.
Und die makabre deutsche Mordkomödie — oder ist es ein Thriller? — mit dem immerhin noch originellen Titel „MitGift“ beweist nur, daß Dr. Michael Verhoeven vielleicht ein guter Arzt, sicher aber ein unbegabter, dafür leidenschaftlicher Filmregisseur ist und seine Gattin Senta Berger ihr Geld besser für andere Dinge ausgeben sollte als für Filme mit ihr in der Hauptrolle (Helmut Qualtingers larmoyante Wiener Raunzerei wird zur Manie und muß daher extra hervorgehoben werden). Auch die in ihrer zum Schluß um
180 Grad umkippenden Tendenz zur Groteske werdende französische Rocker-Tragödie „Die Entfesselten“ um einen Mann (Jean-Louis Trin-tignant), der nach dem Tod seiner Familie wieder einmal rot sieht, daneben aber gelegentlich unmotiviert auch seine Schwägerin (Catherine Deneuve) anders als familiär ansieht, ist eine Fehlzündung.
Vor dem unpädagogisch gefährlichen italienischen Kinderfilm im Western-Groteskmilieu „Little Kid und seine kesse Bande“ seien alle
verantwortungsbewußten Eltern nachdrücklich gewarnt. Und schließlich die Wiederaufführung der Horrorpersiflage mit dem häßlichen neuen Titel „Mein Gott, Frankenstein!“ — früher hieß er „Abbott und Costello treffen Frankenstein“ — aus dem Jahre 1948 kann immerhin Cineasten aus filmhistorischen Gründen empfohlen werden. Die Begegnung zwischen naivem Klamauk und klassischen Gruselgestalten der „Universal“, Graf Dracula (Bela Lugosi), dem Wolfsmenschen (Lon Chaney jr.) und dem Frankenstein-Monster (leider nicht Karloff, sondern nur Glenn Strange) ergibt immerhin eine fremdartige Komik ... Aber das ist wohl ein bißchen wenig ...
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