7040413-1990_14_17.jpg
Digital In Arbeit

Spritztour durch vier Länder

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Beschreibung der Jugend in Vorarlberg ist auch für eine Person, die sich täglich beruflich mit der Jugend auseinandersetzt, kein leichtes Unterfangen.

Zunächst gilt es, mit einem im- mer wiederkehrenden Irrtum auf- zuräumen: Die Jugend gibt es nicht! Jugend muß als Schuljugend, als Jugend in Jugendorganisationen, als Jugend im Jugendtreffpunkt, im Jugendzentrum, als gesunde Ju- gend, als sporttreibende Jugend, als leidende oder als kranke Jugend angesprochen werden; Jugend schlechthin gibt es nicht, auch nicht in Vorarlberg.

Die Jugend beschreiben heißt, immer auch die sozialen, geschicht- lichen, geographischen Hintergrün- de im Auge behalten. „Knapp 90 Prozent der Vorarlberger Jugendli- chen stehen eindeutig positiv zu ihrem Leben und fühlen sich recht wohl. Ein Anteil zwischen zehn und 15 Prozent ist eher unzufrieden und negativ zum eigenen Leben einge- stellt." So lautet eine Aussage der im Jahre 1985 veröffentlichten Jugendstudie über die Jugend in Vorarlberg. Diese Einstellung dürf- te sich auch im Jahr 1990 nicht wesentlich geändert haben.

Diese grundsätzliche Feststellung kann natürlich nicht darüber hin- wegtäuschen, daß im Alltag eines jungen Vorarlbergers oder einer jun- gen Vorarlbergerin der Himmel auch nicht immer voller Geigen hängt.

Dabei unterscheiden sich die Wünsche, Hoffnungen, aber auch die Probleme sicherlich kaum von denen der Altersgenossen in ande- ren Bundesländern. Vielleicht fällt die Problembewältigung bei den eher nüchtern und pragmatisch denkenden Vorarlbergern - auch den Jugendlichen - in verschiede- nen Fällen etwas anders aus als bei ihren Alterskollegen im Osten un- seres Bundesgebietes.

Aufgrund der geographischen Lage unseres Landes ist eine Spritz- tour durch vier Länder an einem Tage keine Seltenheit. Dies erklärt auch zum Teil die große Mobilität, die mir bei unserer Jugend im Lan- de auffällt.

Die offenen Grenzen nach allen Seiten - eine Selbstverständlich- keit für die jungen Vorarlberger - schaffen natürlich auch verlocken- de berufliche Angebote. Dieser gro- ße Wirtschaftsraum rund um Vor- arlberg bedeutet für die heimische Wirtschaft eine enorme Konkur- renz, der vor allem auch unsere jungen Menschen mit allen Vor- und Nachteilen ausgeliefert sind.

Dieser schulische und berufliche Leistungsdruck wird teilweise durch eine über dem Österreich- durchschnitt gelegene aktive Teil- nahme in einem der unzähligen Vereine unseres Landes abgebaut.

Dabei beurteilen die Vorarlber- ger Schüler und Lehrlinge die Möglichkeiten, die sie in ihrer Wohnregion vorfinden, um neben Schule oder Beruf sinnvollen und anregenden Tätigkeiten nachgehen zu können, besser als in anderen Bundesländern.

Der Stellenwert der Wohnquali- tät, der Wunsch nach einem Eigen- heim, der die Vorarlberger auch im übrigen Österreich auszeichnet, schlägt sich auf die Jugend unseres Landes nieder. Rund zwei Drittel der Vorarlberger Jugendlichen wollen schon laut Jugendstudie mit 20 Jahren eine eigene Wohnung haben. Dieser Wunsch erfordert daher für viele junge Leute in unse- rem Lande schon sehr früh klare Finanzierungskonzepte. Der „spä- rige" (kommt von sparen) Vorarl- berger schlägt auch hier durch.

Für mich zeichnet sich ein nicht unbedeutender Teil der Ländleju- gend durch eine große Sensibilität im Berei- che des Umwelt- und Landschaftsschutzes aus. Es kommt nicht von ungefähr, daß die erste politische Grün- bewegung, die sich auch in einem Land- tag etabliert hat, aus dem Westen Öster- reichs kommt. Wir leben in einer Welt, auch in unserem Lan- de, die an ihre Gren- zen gelangt ist. Man denke an die Umwelt- belastung durch den Transitverkehr, der sich besonders in unserem kleinen Land spür- und erlebbar auswirkt.

Die Sensibilität der Vorarlberger Jugendlichen dürfte nach meiner Einschätzung für diese Dinge et- was größer sein als in anderen Bundesländern.

Dennoch unterscheidet sich die Jugend in Vorarlberg, so denke ich, in den meisten alltäglichen Dingen kaum oder gar nicht von den Ju- gendlichen anderer Bundesländer.

Wir sollten generell sehr sorgfäl- tig und selbstkritisch mit uns um- gehen, wenn wir über „Jugend" zu reden beginnen. Reden wir nicht häufig über unsere eigenen Zwei- fel, unsere eigenen Erfahrungen, unsere eigenen Sehnsüchte und Enttäuschungen?

Der Autor ist Vorarlberger Jugendreferent.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung