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Ausbildung, Partner, Freunde

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Optimistisch sind Vorarlbergs Jugendliche -noch. Diese Grundeinstellung gilt es zu fördern, durch Erhaltung von Frei-und Begegnungsräumen.

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Optimistisch sind Vorarlbergs Jugendliche -noch. Diese Grundeinstellung gilt es zu fördern, durch Erhaltung von Frei-und Begegnungsräumen.

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Schaffa, schaffa, Hüsle baua...” Dieser Mythos über die Vorarlberger lebt für Oliver, 19 Jahre. Oliver absolviert zur Zeit die Han-deslakademie und sagt weiters: „Ich habe dieses Ziel vor mir, mein eigenes Heim und eine Familie, und mit 40 oder 50 Jahren muß ich dann nicht mehr so viel arbeiten.”

„Ich habe Angst davor, daß ich auf einmal nicht mehr in den Wald gehen kann, nicht mehr die Vögel pfeifen höre, daß unsere Umwelt zerstört wird.” Edith, 20 Jahre. Parallelen zu diesen beiden aktuellen Aussagen junger Menschen finden sich in der Vorarlberger Jugendstudie: „Die Jugendlichen Vorarlbergs wollen einen sicheren Arbeitsplatz, eine gute Ausbildung, einen Partner oder eine Partnerin und gute Freunde... Durchgängige Skepsis herrscht jedoch im Zusammenhang mit der Möglichkeit der ßewältigung der Umweltprobleme... Alles in allem ist Vorarlbergs Jugend des Jahres 1990 mit den Lebensbedingungen in ihrem Rundesland durchaus zufrieden” (aus der Vorarlberger Jugendstudie 1990, Seite 11).

Auch wenn das gesellschaftliche Engagement im Interesse von Vorarlbergs Jugendlichen erst hinter den Rereichen Familie, Partnerschaft, Berufsausbildung, sicherer Arbeitsplatz und Freizeitgestaltung kommt, sind Vorarlbergs Jugendliche nicht unpolitisch. Unter die Haut gehen ihnen einerseits Probleme der unmittelbaren Lebenswelt sowie die menschheitsbedrohenden globalen Gefährdungen, besonders die Situation unserer Umwelt. Die adäquate Infrastruktur beim Großbauprojekt für sozialen Wohnbau oder der Kampf um einen Jugendtreff - also einerseits weitsichtige, andererseits durchaus egoistische Zielsetzungen - sind typische Beispiele, wie sich Jugendliche heute politisch verhalten. Dabei entziehen sie sich zum Großteil den herkömmlichen und organisierten Formen der Politik und des gesellschaftlichen Lebens. Beteiligungsmodelle, wie Kinder- und Jugendkonferenzen, Jugendwettbewerbe, Jugendforen etcetera, damit junge Menschen einerseits ihre Bedürfnisse und

Wünsche, andererseits ihre Ideen und ihr Engagement einbringen können, erfreuen sich großer Beliebtheit.

Die Verantwortlichen meinen es durchaus ernst mit der Mitbestimmung und Mitgestaltung durch junge Leute. Aber - wie ist diese realisierbar? Denn „Verordnetes” wird von Jugendlichen längst nicht mehr angenommen und ist nicht umsetzbar. Das Miteinander von Entscheidungsträgern und Jugendlichen ist aus verschiedenen Ursachen oft zum Scheitern verurteilt.

■ Erwachsene und Jugendliche haben sehr unterschiedliche Arbeitsweisen. Jugendliche brauchen einfache, unkomplizierte Strukturen, die auch einmal flexibel sein können.

■ Die Themen junger Menschen sind für Entscheidungsträger oft unbequem.

■ Unsichere finanzielle Rahmenbedingungen: Die meisten jungen Menschen haben wenig Erfahrung darin, ihre Ideen zu „verkaufen”.

■ Kommunikationsschwierigkeiten: Sehr wichtig ist, daß Jugendliche vertrauen können, daß ihnen etwas zugetraut, etwas zugemutet wird. Die Suche nach neuen Modellen und vor allem die Funktion der Rrückenbauer (junge Erwachsene, Jugendarbeiter/innen), die solche Prozesse begleiten und unterstützen können, sind für die Zukunft stärker notwendig. Es gibt für junge Menschen in Vorarlberg nach wie vor zu wenig Freiräume und Übungsräume. Diese brauchen sie allerdings, um ihre Kräfte und Ideen konstruktiv in die Gesellschaft einbringen zu können. Der Großteil Vorarlberger Jugendlicher hat immer noch eine optimistische Grandeinstellung. Deshalb sind Unterstützung, Beratung und Begleitung bei der Umsetzung ihrer Ideen so wichtig, denn FehTerfahrungen lähmen, positive Erfahrungen fördern den Selbstwert und auch neue Ideen.

Wir sind in unserer Welt mit ihren abnehmenden Ressourcen darauf angewiesen, daß junge Menschen ihre Welt von heute und morgen genau anschauen und mutig und ohne Hemmungen Veränderungen herbeisehnen und herbeischaffen. Dazu gilt es unkomplizierte Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn am Sonntag, 26. Februar, im Radio zu hören war, daß es in Vorarlberg zur Zeit kaum mehr möglich ist, gemeinsame Veranstaltungen für in- und ausländische Jugendliche zu organisieren, wird der Ruf nach einem türkischen Jugendzentrum in Vorarlberg laut!? Haben engagierte junge Menschen mit den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft schon oben angeführte Probleme, um wieviel facettenreicher sind die Schwierigkeiten von sogenannten „benachteiligten Gruppen”. Desintegration von ausländischen Jugendlichen, Desintegration von weiblichen Jugendlichen und Desintegration von Jugendlichen aus sozialen Unterschichten - Resümee einer aktuellen Jugendbefragung in einer Vorarlberger Gemeinde. Dieses Nebeneinander führt zu Abgrenzungen und Feindseligkeiten. Abgrenzungen sind zum Reispiel Re-nachteiligung im Rildungs- und Arbeitsmarkt, Ghettoisierangen, Re-grenzen in ihren Entwicklungsräumen, Ausschluß von gesellschaftlichen Aktivitäten.

Junge Menschen brauchen Entwicklungsräume (Freiräume) und Übungsräume (Regegnungsräume) und sie erleben sehr viel - zu viele Ausgrenzungen. Es gilt zu sehen, was ist und die Entwicklung und Entfaltung junger Menschen zu fördern. Es gilt junge Menschen zu ermutigen, ihre optimistische Grundeinstellung zu behalten. Sie ist Kraft für Ideen und Initiativen, die positive Veränderungen in unserer Gesellschaft herbeiführen können.

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