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Theater in Berlin

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BerlinsFestwoohenintendant Ulrich Eckhardt sieht das jährliche herbstliche Kunsttreffen an der Spree als Informationsmesse, als Diskussionsforum mit Werkstatt-öharakter. Tradition und Experiment halten sich die Waage, im Konzertsaal und auch im Theater, wobei der 200jährige Bestand der USA mit der vielseitigen Präsentation der zeitgenössischen künstlerischen Szene New Yorks, vor allem seiner Tanzszene, den thematischen Mittelpunkt bildete.

Aber auch Berlins Bühnen leisten einen vielseitig aufgefächerten Beitrag. Das gilt besonders für die von ihnen zu Wort und Szene gebrachten Autoren und deren Regisseure.Das staatliche Schiller-Theater versucht sich an Marivaux und Roger Vitrac, jedoch war von jenem frivolen Knistern, das bei der Konfrontation natürlich unbedarfter Kinder aus dem Volke mit der lasziv-amorailischen Auffassung einer übersättigten, höfischen Gesellschaft in der „Unbeständigkeit der Liebe“ von Marivaux zündend ins Parkett überspringen sollte, nicht viel zu spüren. Die Sache entartete ziu langweiligem Ästhetizismus mit an den Haaren herbeigezogenen Regieeinfällen und einer Kostümierung der Akteure nach der Made der „nierry twen-ties“ unseres Jahrhunderts.

Dagegen spiegelt sich in dem „bürgerlichen Drama“ ,J>er Coup von Trafalgar“ von Roger Vitrac das Paris vor, während und nach dem Ersten Weltkieg in allen Facetten vom venbohrt-muffigen Spießer bis zum aalglatten, dandyhaften Hochstapler überzeugend wider. Roberto Ciulli hat dieses etwas düstere Zeitgemälde mit viel Sinn für Details und menschliche, alUzumenschliche Lichter in Szene gesetzt, wobei ihm Peter Fitz als skrupelloser Glücksritter voM schleimiger Überheblichkeit ein guter Helfer ist.

Ebenfalls im Schiller-Theater konfrontiert uns der aus der DDR stammende Hartmut Lange in seiner Tragikomödie „Die Gräfin von Rathenow“ nicht ungeschickt mit der Gegenüberstellung preußischen und französischen Wesens aus historischer Sicht. In knappen, treffsicheren Dialogen skizziert er das an der Kleistschen Novelle „Die Marquise von O.“ orientierte Sittengemälde aus napoleonischer Zeit Lieselotte Rau spielt mit distanzierender Überlegenheit einer Dame von Welt und entsprechender Gefühlskalte, deren temperamentvollen Kontrapunkt Peter Hallwachs als Marquis zuweilen um einige Grade zu laut setzt.

Inmitten der in vielen Varianten gebotenen theatralischen Zeit und Geschiohtsproblematik bereitet die von dem Wiener Peter Matte köstlich zubereitete Geschichte der „Sonny Boys“ von Neil Simon im Schloßpark-Theater ein wahrhaft komödiantisches Vergnügen, das mit dem zutiefst menschlichen Spiel von Martin Held und Bernhard Minetti als den beiden, in einer Haßliebe verbundenen ehemaligen Showstars steht' urud fällt. Einen auch vom Bühnenbild (Eberhard Matthies) her interessanten Versuch einer unserer Zeit gemäßen szenischen Deutung des märchenlhatften Schauspiels „Das Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist unternimmt Kurt Hübner in der Berliner Volksbühne. Nur wehende, vom Schnürboden herabwallende riesige Schleier und Tücher in verschiedenen Farben und Beleuchtungen schaffen die Illusion der Schauplätze, wobei Regisseur Hübner zuweilen auch nicht auf ein leicht ironisierendes Augenzwinkern, besonders bei der von Franz Schaf-heitlin mit gewinnender Bonhommie ausgestatteten Gestalt des Kaisers, vergißt.

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