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Theater ohne Jugend

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Es gibt in den heutigen Theatern eine bedenkliche Erscheinung: Die Jugend fehlt in den Zuschauerräumen. Da die jungen Menschen aber nicht immer jung bleiben, müßten in zwei, drei Jahrzehnten alle Theater geschlossen werden, es sei denn, es kommt doch dazu, daß sie das Publikum von morgen bilden.

Da ersteht die Frage, ob für diese jungen Menschen, die keinen der Weltkriege mitgemacht haben, die im nicht selbst erarbeiteten Wohlstand aufgewachsen sind, aber eine Front gegen alle auch nur wenig Älteren bilden, das Theater als Erlebnisbereich grundsätzlich und daher für immer abgetan ist. Was hält sie vom Theater fern? An einem Diskussionsabend des Burgtheaters wurde die Frage „Publikum von morgen“ im Hinblick auf den zukünftigen Besuch dieser Bühne untersucht, wobei sich weitgehend Allgemeingültiges ergab.

Ein Mittelschüler der Oberstufe erklärte, es werfe bei den Mitschülern ein „schlechtes Licht“ auf den, der ins Theater geht. Und zwar werde man als Streber lächerlich gemacht. Das heißt also, daß das Theater lediglich als Bildungsinstitut, ähnlich der Schule, angesehen wird. Damit betrachten diese Schüler die Bühne lediglich als eine Fortsetzung des Deutschunterrichts und lehnen den Besuch ab. Da sprang der Vorwurf auf: Die Deutschlehrer sind schuld. Nun hört man tatsächlich von vielen die Behauptung, daß ihnen in der Schule die Dramen der Klassiker vergällt worden seien. Wodurch? Anscheinend fällt es manchem Lehrer schwer, diese Bühnenwerke nicht als Bildungsgut, sondern aus der Sicht unserer Zeit heraus zu interpretieren. Es gibt allerdings rühmliche Ausnahmen, an die sich ehemalige Schüler später gerne erinnern. Und die Besprechung neuester Stücke? Das ist in den österreichischen Lehrplänen nicht vorgesehen. I

So entsteht meist eine Kluft zwischen dem von den jungen Menschen bereits gelebten Leben und der von der Schule geduldeten Sicht. Hiezu kommt allerdings, daß die neuen Stücke, die typisch heutige menschliche Situationen spiegeln, selbst wenn sie Grausames darstellen, kaum wirklich packen. Das Emotionelle fehlt, viele dieser Stücke wirken anämisch, das spricht die Jugend nicht an. Überwindet aber das Theater in der Sicht auf das Heute das allzu Spannungslose, bietet es Emotion, dann könnte es sein, daß die Jugend auch von selbst wieder zum Theater findet.

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