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Viel Nachdenkliches für die Älteren, viel Neues für die Jüngeren

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Österreich ist heute unangefochten. Lächerliche Ausnahmen bestätigen die Regel. Erwachtes und gefestigtes Nationalbewußtsein hat der leidigen' und nie ohne Hintergedanken vom Zaun gebrochenen Diskussion um den Nationsbegriff den Boden entzogen. Aber manchmal ist es gut, sich daran zu erinnern, wie jung dieses unser österreichisches Selbstbewußtsein doch ist. Der adäquate Ort solcher Selbstbesinnung ist die Österreich-Abteilung der österreichischen Na-tionalbibliothek.

Die Veranstaltung, die hier vor wenigen Tagen stattfand, zeigt die neuen Schwerpunkte unseres Selbstverständnisses auf. Die Gesellschaft „Pro Austria“, die in der Österreich-Abteilung der Nationalbibliothek domiziliert, hatte zu einem Dreifach-Ereignis geladen: Zur Eröffnung zweier Ausstellungen und zur Präsentation eines Buches. Eben das Gegenüber dieser beiden Ausstellungen macht die Entwicklung der letzten Jahre so deutlich. Die Ausstellung „Austria Renovata“ -eine imposante Versammlung von zeitgeschichtlichen Zeugnissen - ist fast so etwas wie eine Bilanz unserer Nationswerdung. Sie sagt jungen Menschen viel Neues, stimmt ältere nachdenklich.

Dieser in Vitrinen ausgelegten Ausstellung steht die andere an den Wänden gegenüber. Es ist eine Ausstellung von Plakatankündigungen kultureller Ereignisse, die im Sommer dieses Jahres in Österreich stattgefunden haben. Alle Bundesländer haben dazu beigetragen. Mit Plakaten aus den neun Bundesländern dokumentiert diese Plakatschau aber nicht nur den Reichtum an Kulturgütern in unserem Land. Nicht nur die Aktivität, mit der diese Kulturgüter heute genutzt, zur Kenntnis gebracht, zur Kenntnis genommen, und, so soll es sein, genossen werden. Sie dokumentiert auch nicht nur das pluralistische Interesse für Altes und Neues. _ . _

Sie ist, zuerst und vor allem, ein Bekenntnis zum Föderalismus. Ihn, den Föderalismus, uns, den Österreichern, noch stärker bewußt zu machen - darauf wird es in den nächsten Jahren besonders ankommen. Wir wissen heute vom Boden- bis zum Neusiedlersee, daß wir Österreicher sind, sein wollen und bleiben. Nicht so genau wissen wir, was dieses unser österreichertum ausmacht. Die Gesellschaft „Pro Austria“ hat eine sehr wesentliche, sehr wichtige Aufgabe, sie hat. sie übernommen, sie wird ihr gerecht, ihr Generalsekretär Hofrat Georg Wagner widmet sich ihr ganz und gar. Es ist die Aufgabe, junge Menschen immer wieder an zwei Dinge zu erinnern: An das Gemeinsame aller Österreicher, an die österreichischen Werte über den Parteien oder, besser, beiden Großparteien. Und an den Föderalismus. Das Erhalten der gewachsenen historischen Strukturen. Das Leben und Zusammenleben in diesen Strukturen. An die Bewahrung der Eigenständigkeiten ohne Beeinträchtigung des Gemeinsamen.

Dem läßt sich auch das Buch des jungen Zeitgeschichtlers Peter Schubert einordnen, dessen Band I (Wien) des topographischen Lexikons zur österreichischen Zeitgeschichte vorgelegt wurde. Die FURCHE wird sich ausführlich damit beschäftigen.

Es war ein schöner, ein föderalistischer und pluralistischer Abend. Es sprachen Hofrat Wagner, Professor Prälat Franz Loidl, ÖGB-Vizesekretär Alfred Dallinger und Altlandeshauptmann Heinrich Gleißner. Prälat Loidl erzählte, wie er die Befreiung erlebt hat, ÖGB-Vize Dallinger legte ein schönes, ehrliches Bekenntnis zum Gemeinsamen von Österreichern aller Weltanschauungen ab, Altlandeshauptmann Gleißner erzählte „aus meiner Erinnerung“. Gemeinsames Motto: „Österreich in der Stunde Null und danach.“

Dieses Österreich hat gewiß Probleme. Schwere sogar. Aber seine Identität ist gefestigt, und das gemeinsame Bekenntnis zum Gemeinsamen glaubwürdig. In einer Vitrine liegen die Photos aus dem Jahre 1934. Hier wandert die Betonung des Wortes Zeitgeschichte - endlich - zur Geschichte.

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