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Vom Krampus zu anderen Feindbildern
Bereits im dritten Lebensjahr entwickelt das Kleinkind Vorstellungen von „Schreckgespenstern”. Während es bis dahin eine feindliche Umwelt kaum bewußt zur Kenntnis nimmt, wird etwa der „Krampus” oder der „schwarze Mann” mit Beginn der Trotzphase von ihm angstvoll empfunden. Wenn es beginnt, sich mit einem Elternteil - meist ist es für den Buben der Vater, für das Mädchen die Mutter - ZU’identifizieren und gegen den anderen mehr oder weniger starke Aggressionen zu äußern, erlebt das Kind seine ersten Konflikte. Die Reaktionen und Verhaltensweisen der Eltern sind ausschlaggebend dafür, ob und wie diese ersten feindlichen Erfahrungen seine charakterliche Entwicklung beeinflussen.
Dies führte der Wiener Tiefenpsychologe Prof. Max Friedrich während eines Podiumsgespräches zur Frage der „Rolle der Feindbilder in der Erziehung” aus, das die „Aktion gegen den Antisemitismus” gemeinsam mit der Katholischen Hochschulgemeinde, der Evangelischen Studentengemeinde und der Vereinigung Jüdischer Hochschüler veranstaltete. Vorurteile im Familienbereich werden geprägt oder verhindert Die Verantwortung für die Entwicklung eines Kindes zu einem vorurteilsfreien oder doch toleranten Menschen, liegt also in erster Linie bei den Eltern oder anderen Bezugspersonen.
Zur Ausbildung von „Feindbildern” kommt es in der Sozialisationsphase mit dem Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule. Hier entstehen erstmals Gruppen-Vorurteile, gibt es eine Konfrontation mit Außenseitern. Das Verhalten des Kindes zu solchen Außenseitern ist vor allem das Resultat seiner Erfahrungen in der Familie. Am problematischsten ist die Zeit der Pubertät, in der Vorurteile nicht mehr nur geformt, sondern manifestiert werden. Der Übergang vom konkreten zum abstrakten Denken führt zu einer „philosophischen Krise” beim Jugendlichen, zu Idealisierungen und schließlich zu fest verankerten Urteilen und Vorurteilen.
Es gehört schon eine ordentliche Portion Selbstkritik dazu, freiwillig einen Fortbildungskurs zu besuchen, in dem man gesagt bekommt, daß man vorurteilsbehaftet ist, erklärte der evangelische Erwachsenenbildner Ulrich Trinks, der damit zum Ausdruck brachte, wie schwer es ist, einmal angenommene Haltungen und Einstellungen als Erwachsener zu verändern.
Demgegenüber meinte Prof. Norbert Kutalek, der das Thema als Soziologe und Pädagoge beleuchtete: Da Feindbilder stets gesellschaftlich mo tiviert seien, könnten sie auch nur durch gesellschaftliche Veränderungen abgebaut werden. Information und persönlicher Kontakt seien bestenfalls Mittel zur Abschwächung oder Neutralisierung von Vorurteilen; die menschliche Begegnung könne daher nicht viel zur Lösung des Problems beitragen.
Zunächst einmal steht diese Einstellung im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Kinder- und Tiefenpsychologie, die die Bedeutung der ersten Umwelt des Kindes für die Entstehung oder Vermeidung von Vorurteilen betont. Der gesellschaftliche Stellenwert von Feindbildern soll keineswegs bestritten werden. Ebenso wenig darf dies jedoch zu dem Schluß führen, dem einzelnen jegliche Eigenverantwortlichkeit abzusprechen oder etwa die menschliche Begegnung als sinnlos abzutun.
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