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Vom Wassersport

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Früher liebte ich den Wassersport. Ich knüpfte als Heranwachsender an meine erfolgreichen Tätigkeiten als Entenwart und Plastikschiffreeder in der elterlichen Badewanne an. Da machte es dann auch nicht mehr so viel aus, wenn ich fest ins Wasser klatschte, was bei meinem etwas nervösen Herrn Papa gelegentlich assoziative Erziehungshandlungen mit vergleichbarer Geräuschentwicklung auslöste.

Mitten in der Pubertät geriet meine Liebe zum Wassersport zur

Leidenschaft. Stundenlang

durchschwamm ich Wasserarme in der damals noch schwimmbaren und noch nicht schiffbaren, fast völlig unbegradigten Lobau. Daß mit gelegentlich von wachsamen Pädagogen innerhalb und außerhalb der Verwandtschaft durchaus andere als sportliche Motive für mein Langstrecken-schwimmen unterstellt wurden, charakterisiert eher deren. Haushalt an obszönen Vorstellungen,

^Is er mich in meiner Badelust einschränkte.

Richtig ist allerdings, daß mein Wassersport-Ubungsgebiet wechselte — und zwar mehrfach. Zunächst ins Strandbad im Gän-sehäufel. Verena hatte lange blonde Haare und ein Faible für die dortige Minigolf-Anlage. Mit zunehmender Reife reiften auch meine Ansprüche wassersportlichen Zuschnitts. Mona schwärmte für meine Vespa und liebte die flotte Fahrt ins schicke Krapfen-waldl-Bad, das sich wegen seiner unmittelbaren Nähe zu den Grin-zinger Heurigenschenken als besonders geeignet für allerlei Folgemaßnahmen nach der sportlichen Ertüchtigung herausstellte.

Wie sich meine Ansprüche und Möglichkeiten auch immer ent-

.wickelten, der Wassersport nahm auf der Palette meiner Vorlieben einen schillernden Platz ein. Schließlich war ja auch die Romantik abendlicher, ja nächtlicher Kahnpartien im engsten Kreis nicht zu unterschätzen. Nach einer kurzen, aber äußerst schmerzhaften Episode auf Wasserschiern hinter heulenden Motoren auf der, wie sich fallweise herausstellte, überaus und unerwartet harten Donau, gewann die mir ja auch sonst eigene Noblesse Oberhand, die mich dem eleganten, lautlosen Segelsport gleichsam mit achterlichen Winden zutrieb.

Ich wollte auch weiterhin den Gewässern und ihren vielfältigen Möglichkeiten für erlaubtes sowie für interessantes Tun treu bleiben, da geschah Entsetzliches. Die nicht rastende Freizeitapparaturen-Industrie, eben erst durch rapide Rückgänge beim Verkauf von Boccia-Kugeln sowie durch den betrüblichen Umstand, daß sich der sportärztlich unterstützte Trend zum Drittschi nicht so recht durchzusetzen begann, in erhebliche Schwierigkeit geraten, ließ das Surfbrett erfinden.

Nie hätten wir erfahrenen wie befahrenen Wassersportler vom alten Schilf und Tang gedacht, daß irgend jemand freiwillig auf ein solch glitschiges Bügelbrett mit einem überaus instabilen Besenstiel, an dem man ein mittelgroßes Badetuch (auch dieses aus Kunststoff!) befestigt hatte, steigen würde. Aber: die Freizeitstrategen hatten doch recht mit ihrem Marketing-Konzept.

Die Schönlinge und Oben-ohne-Nixen auf den Werbeprospekten forderten Nachahmer: Allmählich füllten sich die Oberflächen stehender Gewässer mit Brettern - und mit den Segeln permanent ins Wasser stürzender Surf-Lehrlinge.

Da kam kaum mehr ein surf-brettloser Schwimmer dazwischen, geschweige denn so etwas Riesiges wie ein Paddelboot oder ein mit mehreren Kleinkindern besetzter Gummischwan. Das alles wäre ja noch zu ertragen gewesen, wenn nicht gleichzeitig Surfen zur unumstößlichen gesellschaftlichen Verpflichtung geworden wäre. Man mußte Surfen nicht einfach nur toll finden, man mußte es auch tun — zumindest aber mußte man ein Surfbrett besitzen.

Kein Mädchen wäre noch mit einem jungen Mann in die nächste Disco gefahren, gleichgültig wie viele PS der getunte Motor auch haben mochte und wie bunt die schnellen Streifen am GTI-LX-Super des Kavaliers gewesen wären, wäre nicht auch — für alle deutlich erkennbar — eine Befestigungseinrichtung für Surfbretter am Dach des Kraftfahrzeuges zu erkennen gewesen.

Das hinwiederum brachte die ebenfalls um ihre Absätze bangende Autoindustrie auf Ideen: sie integrierte den Surfbrett-Träger in die Karosserie, wenigstens in die ihrer teuren Spitzenmodelle. Die Bezeichnung „S" hinter der Type hieß fürderhin auch nur mehr „Surfbrettmodell"

- auch das förderte den Absatz kräftig. Schließlich gingen Spe-zialwerkstätten sogar dazu über, nicht nur die Träger, sondern sogar die Surfbretter selbst in die Karosserie zu integrieren.

Ein solches Surfbrett ließ sich freilich nicht mehr abnehmen, dafür hatte es aber geringeren Luftwiderstand und half beim Energiesparen. Es wurde ja auch gar nicht mehr benötigt, denn Platz zum Einsatz in richtigem, nassem, welligem Wasser gab es längst keinen mehr. Da ging dann auch meine langjährige Liebe zum Wassersport baden.

Was mir bleibt, ist meine garantiert surfbrettfreie Badewanne und der feste Glaube, daß auch Surfen eines Tages wieder aus der Freizeitmode kommen wird, wie das Bewegen von Hula-Hoop-Reifen, das Werfen von schlingernden Wurftellern, das. Anschaffen von überdimensionierten Stereo-Anlagen, das permanente Drehen des Wunderwürfels

— und, wie es ja schon einmal passiert ist, sogar das Motorradfahren.

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