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Wer wird da geschröpft ?

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Unter dem Titel „Der geschröpfte Städter" hat Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr ein Buch herausgebracht, in dem er seine Vorstellungen von einer Neuordnung des Finanzausgleiches präsentiert. Der Wiener SPÖ-Politiker hat damit gleichsam zum großen Halali auf den Finanzminister geblasen.

Die Grundidee der Neuordnung: Der Finanzausgleich hat sich am jeweiligen Steueraufkommen zu orientieren, das bisher unübersichtliche System soll durchsichtig werden, und der Bund soll zugunsten der Länder und Gemeinden auf jene Mehreinnahmen verzichten, die sich der Finanzminister seit 1979 geholt hat.

Mayr wäre kein Wiener Stadtkämmerer, würde er nicht dafür plädieren, daß der Großteil dieser Mehreinnahmen nach Wien fließen müßte.

Hier liegt auch die politische Brisanz der Forderungen des Wiener Finanzstadtrates. Zu Lasten des Bundes sollen alle Gebietskörperschaften, mit Ausnahme einiger Tiroler Fremdenverkehrsgemeinden, am gemeinsamen Steueraufkommen besser beteiligt werden. Konkret geht es um 6,6 Milliarden Schilling, einschließlich von zwei Milliarden aus dem Belastungspaket. Davon allein soll Wien als Land und Gemeinde den Löwenanteil mit 3,7 Milliarden Schilling erhalten.

Das neue System, das Mayr vorschlägt, sieht auf den ersten Blick praktikabel aus. Das bisherige System der Berechnung hat zu Fehlschlüssen geführt. Mayr: „Der Finanzausgleich ist so kompliziert, daß sich nur mehr ein paar Fachleute damit zurechtgefunden haben."

Das „Wiener Modell" dagegen ist leicht und rasch berechenbar. Es geht davon aus, bei jenen Gebietskörperschaften, deren eigenes Steueraufkommen überproportional hoch ist, zugunsten der Niedrigsteuergebiete abzuschöpfen. Konkret sollen Länder und Gemeinden, deren Steueraufkommen mehr als 120 Prozent des österreichischen Durchschnittes beträgt, jene Einnahmen abgeben müssen, die die 110-Prozentmarke übersteigen.

Im Gegenzug könnten Gebietskörperschaften, die unter dem Gesamtdurchschnitt liegen, auf zumindest 96 Prozent, Länder bzw. Gemeinden auf 93 Prozent aufgestockt werden.

Der Vorstoß des Wiener Finanzstadtrates kommt nicht von ungefähr. Der derzeitige Finanzausgleich läuft Ende 1984 aus. Die Verhandlungen haben bereits begonnen, und alle Finanzreferenten der Bundesländer haben ihre Wünsche angemeldet.

Die Bundesländer drängen auf mehr Geld vom Finanzminister, die Gemeinden fühlen sich vernachlässigt. Und sie alle sind böse auf die Bundeshauptstadt. Bereits Ende des Vorjahres hat der Grazer SPÖ-Vizebürgermeister Alfred Stingl harte Kritik in Richtung Wien erhoben. Stingl kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß die Bundeshauptstadt materiell bevorzugt werde.

Die ländlichen, kleinen Dorfgemeinden werden bei dem Gerangel um den Finanzkuchen zu kurz kommen (FURCHE, 7/1984).

Mayr versucht nun, die größeren Städte, die Landeshauptstädte und die Industriegemeinden auf seine Seite zu ziehen. Er rechnet den Stadtvätern vor, wieviel Geld sie in den nächsten Jahren für die Stadterneuerung aufzubringen haben. Die Kosten für die Sanierung der rund 350.000 Sub-standardwohnungen in den Ballungszentren liegen nach vorsichtigen Schätzungen bei knapp 120 Milliarden Schilling. Mayr wörtlich: „Die Stadterneuerung wird vom gegenwärtigen Finanzausgleich links liegengelassen, ebenso die Frage der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs."

Was Mayr vergessen hat: Auch die Dorferneuerung kostet Geld und ist um keinen Groschen billiger als die Sanierung der Ballungszentren.

Erste Kritik an den Ideen des SPÖ-Politikers übt der Wiener ÖVP-Gemeinderat und Finanzexperte Heinz Wöber in einem Gespräch mit der FURCHE: „Ob der Finanzausgleich aufkommensorientiert ist oder nicht, spielt keine so große Rolle. Wichtig wäre, aufzuzeigen, wie die Mittel aufgebracht werden sollen, die zur Bewältiggung der Krise in den Ballungszentren nötig sind. Es fehlen die Konzepte, den Neubau und die Sanierung steuerlich gleichzustellen. Ich vermisse bei Mayr einen Denkansatz in die Richtung, wie eine Verbesserung der Beschäftigtenstrukturen erreicht werden kann." Wöber weiter: „In Anlehnung an den Titel der Broschüre kann ich nur festhalten: der geschröpfte Bürger sollte auch einen steuerlichen Anreiz dafür erhalten, sich schröpfen zu lassen."

^ Der ÖVP-Steuerexperte verweist darauf, daß die steuerlichen Aspekte sogar dazu veranlassen, den Wohnsitz zu verlagern.

Der Wiener SPÖ-Politiker Mayr, der von einigen politischen Auguren bereits als Nachfolger von Finanzminister Herbert Salcher gehandelt wird, will sich nicht in die Rolle eines Salcher-Kontrahenten drängen lassen. Daher lehnt er jede Aussage zum Erfolg seines Vorstoßes ab. Er selbst bezeichnet sein Modell als Wunschvorstellung: „Man wird ja schließlich vor Verhandlungen auch noch Wunschträume äußern dürfen."

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