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Wo anfangen mit dem Friedenmachen ?

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Lockert sich die Atmosphäre in der DDR? Eine Friedenskonferenz ließ Hoffnungen entstehen, daß sich die Einseitigkeit mildern könnte.

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Lockert sich die Atmosphäre in der DDR? Eine Friedenskonferenz ließ Hoffnungen entstehen, daß sich die Einseitigkeit mildern könnte.

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Eigentlich wollte man nur Jubiläum feiern, dann aber dominierte doch Nicaragua die Tagung und gab ihr einen Akzent, der vielleicht gar nicht beabsichtigt war. Zwanzig Jahre (Ost-)„Berliner Konferenz europäischer Katholiken" sollte gefeiert werden, „weniger plakativ" als bei der letzten Tagung der BK im November

1982, wie ein Spitzenfunktionär andeutete. Wollte man doch einen Wink an die eigene Seite riskieren?

Vor 20 Jahren, als die „BK" startete, bot die Enzyklika „Pacem in terris" des Roncalli-Papstes den Anstoß zur Gründung - und das Interesse der Schutzmacht, die westliche Verteidigungsbereitschaft zu unterminieren, den nötigen politischen und finanziellen Rückhalt.

In den Siebziger jähren dann sollte die Weltöffentlichkeit auf Helsinki hin vergattert werden, und die „BK" stellte ihre Kontakte zu linken Katholiken in den sozialistischen und kommunistischen Parteien und Organisationen ganz Westeuropas, zu Pax Christi, Pazifisten und Friedensforschern in den Dienst der Sache.

1982 sollte der Nachrüstungsbeschluß der NATO torpediert werden. Dementsprechend massiv

und „plakativ" waren die Parolen, die die Referate in Plenum und Arbeitskreisen durchzogen.

Schüchterne Versuche gegenzusteuern, den erst geplanten Cruise Missiles die bereits stehenden SS 20 entgegenzuhalten, wurden zwar in den Arbeitskreisen von so manchem „Friedenspriester" aus Ungarn und der CSSR mit Interesse verfolgt, hatten aber keine Chance, in die Schlußresolution aufzusteigen. Diese erhielt daraufhin auch 15 Gegenstimmen - ein für Ostberlin immerhin beachtliches Phänomen.

Hatte dieser Protest doch eine ferne Wirkung gezeigt? War man nur froh, diesmal kein aktuelles Ziel ansteuern zu müssen, oder hat sich doch seitdem die Atmosphäre geändert, auch wenn die Medien der DDR unverändert weiterschimpfen.

So fanden sich kürzlich wieder 120 „Friedensfreunde" aus 26 europäischen und etlichen außereuropäischen Ländern in der Kongreßhalle am Alexanderplatz zusammen. Vor dem Haus überstrahlte der zum Riesentummelplatz umfunktionierte Weihnachtsmarkt die für den Fremden kaum mehr merkbaren Mangelerscheinungen: Im Innern des modernen Baus aber konnten die Zuhörer in den Einleitungsreferaten so manche Bemerkung festhalten, die durchaus an beide Seiten gerichtet schien.

So beklagt Otto H. Fuchs, jubilierender Gründer und Präsident der „einzigen Friedensbewe-

gung von Katholiken in Europa", die „Zeit der Intoleranz" und forderte eine realistische Information über „die andern"; so rechnete Weihbischof Josef Kacziba aus Budapest vor, was man für die Kosten eines einzigen Panzers alles zugunsten der Armen in der Dritten Welt bauen könnte; so warnte Naziopfer Hans C. Ros-saint vor der „berauschenden Wirkung von Märschen, Fahnen, Brandreden".

Wer wollte, konnte dabei auch an die Medien der DDR, an die sowjetischen Waffenlieferungen an Nicaragua, an den Aufmarsch der Ehrenwache vor dem Zeughaus unweit der Kongreßhalle denken. Wollte jemand?

Offenbar doch, denn in den Arbeitsgruppen wurden diese Bälle aufgefangen und weitergespielt -soweit Nicaragua und seine Nachbarn dazu noch Zeit ließen.

Denn - geplant oder improvisiert, jedenfalls im Programm nicht aufgeführt - schon im Plenum erschien ein junger, von seinem Bischof suspendierter Dominikanerpater aus Nicaragua am Mikrophon und hielt Brandreden über die Erfolge der sandinisti-schen Revolution und die verwerfliche Bedrohung durch die Reagan-Administration — und erinnerte beklemmend an die ebenso fanatisch-idealistischen Jungpropagandisten der Nazi, die von der Größe von Volk und Reich geschwärmt und gegen die Bedrohung durch das Weltjudentum gewettert hatten.

Hatte nicht Fuchs selbst gemahnt, die Feindbilder abzubauen? Hier standen sie in voller Häßlichkeit zum Abwatschen bereit ...

Als sich im Arbeitskreis, der sich mit der Hilfe für die „fernen Nächsten" befassen sollte, an die „Lageschilderung" über Nicaragua ähnlich intensive Informationen über El Salvador, Guatemala und Haiti angeschlossen hatten, blieb kaum mehr Zeit, auf die vorgesehenen Themen einzugehen.

„Ihr sollt Meine Zeugen sein" — das Wort aus der Apostelgeschichte leuchtete als Motto von der Stirnwand des Saales. Die Erfüllung dieser Mahnung, die Um-

setzung des Evangeliums in politische Friedensarbeit, stieß trotz mancher Bemühungen auf Schwierigkeiten.

Das gebannte Starren auf weltpolitische Spannungen, Weltraumgefahren und Befreiungs-wühsche lateinamerikanischer Revolutionäre ließ keinen Blick auf jenen Bereich übrig, wo anzufangen wäre, von wo aus dann — schrittweise - zum „großen Frieden" fortgeschritten werden könnte: auf das Friedenmachen im ureigenen Bereich.

Die abschließende Eucharistiefeier in der würdig wiederhergestellten Domkirche St. Hedwig abzuhalten, war nicht möglich, da die Kirchenführung hier immer noch der BK mit Distanz gegenübersteht.

So mußte man sich mit der abgelegenen St. Adalbert-Kirche begnügen. Das deutsche Missale bereitete den aus Ungarn, Lettland, der CSSR, Holland und Polen stammenden Konzelebranten ebenso Schwierigkeiten wie das verbindende Latein des Ordinari-um den versammelten Teilnehmern. Die in einem Dutzend Sprachen vorgetragenen Fürbitten ließen trotzdem ahnen, daß sie ehrlich gewillt waren, Seine Zeugen zu sein.

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