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Anders als sein Klischee
DIE TRAURIGEN GERANIEN UND ANDERE GESCHICHTEN AUS DEM NACHLASS VON WOLFGANG BOBCHEBT. Herausgeber: Feter Rühmkor f. Rowohlts Taschenbuchausgabe, Hamburg, 1987. 124 Seiten. DM 2.20.
Achtzehn straff komponierte Kurzgeschichten, die nicht im Gesamtwerk Borcherts (Rowohlt, 1949) erschienen sind, weil sie erst später entdeckt wurden, weil sie sich thematisch und inhaltlich mit früheren Erzählungen überschneiden oder weil sie eher feuflletonistischen Charakter haben, wurden schon 1962 bei Rowohlt gesammelt und in diesem Jahr in der rororo-Taschenbuchaus-gabe neu vorgelegt. Eine berechtigte Neuausgabe: über die zeitbedingte Thematik hinaus gewinnen diese Kurzgeschichten Bedeutung als meisterhafte Beispiele für die kurze Prosaform; das eigentliche Geschehen ist nach innen gerückt, ein Minimum an Handlung genügt, um zu erschüttern.
In Peter Rühmkorf fand sich der wohl kompetenteste Herausgeber; sein Nachwort verteidigt Wolfgang Bordiert gegen unkritische, überschwengliche Interpretationen ebenso wie gegen eine seine Bedeutung einengende Fixierung als Prototyp der Neinsager im Nachkriegsdeutschland. Rühmkorf spricht Bordiert nach einer Analyse der literarischen
Qualität seiner Werke „stilprägende“ Bedeutung zu.
WOLFGANG BOBCHEBT IN SELBSTZEUGNISSEN UND BILDDOKUMENTEN, dargestellt von Peter Bühmkorf. Rowohlts Monographien, Nr. 58. DM 2.80.
Im Jahr des 20. Todestages von Wolfgang Bordiert zieht die Darstellung seines Lebens und Werks erneut die Aufmerksamkeit auf sich. Peter Rühmkorf räumt mit vielen Mißverständnissen und literarischen Fehlurteilen auf, er zeichnet aus Briefen, Gesprächen, Bilddokumenten und Werkinterpretationen den zwiespältigen Charakter dieses Schriftstellers und Schauspielers, der sich so gar nicht in die gängigen Klischees seiner Kritiker einfügen lassen wollte.
Für die Deutung und literarische Einschätzung seiner Werke ist es nicht ohne Belang zu wissen, mit welcher Lebenswut der Sechsund-zwanzigjährige aus seiner Todeskrankheit auszubrechen suchte, wie eng im letzten Lebensjahr der körperliche Verfall mit dem Freiwerden dichterischer Energien verknüpft war: „Keine Anstrengung, höchstens ein kurzer Rausch“, wie Bordiert an eine Bekannte schrieb, brachte in einer Basler Klinik „Die Hundeblume“ hervor, die erste einer Reihe genialer Kurzgeschichten, Zeugnisse der unvermittelten Geburt eines Vermögens, dem eine schrittweise Entwicklung formaler Fähigkeiten, keine Qualitätsverbesserung durch Schulung oder Übung vorausging. Was später den Mythos „Bordiert“ prägen half — politische Hellsichtigkeit, Krankheit, früher Tod —, tritt zurück vor dem erstaunlichen Faktum, daß ein bislang eher dürftiges Formtalent auf einen Schlag ohne Stilreflexion alle Mittel zur Hand hat, alle Methoden beherrscht; daß ein Mensch, der vorher Gedichte von nicht aufsehenerregendem Rang verfaßte, auf dem Gebiet der erzählenden Kurzprosa, wo er die mindeste Erfahrung hat, plötzlich ein Dichter ist.
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