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Die Stunde der Orthodoxie

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Papst Johannes XXIII. und das vom gegenwärtig regierenden Heiligen Vater Paulus VI. zu Ende geführte Zweite Vatikanische ökumenische Konzil bedeuteten für Millionen Christen Hoffnung auf Wiedervereinigung mit getrennten Brüdern in dieser und jener Hemisphäre. Die Ökumene muß erfolgen in Liebe und Wahrheit. Fehlt die Liebe, das Band der Vollkommenheit, so kommt nicht einmal ein unverbindlicher Dialog über die Wahrheit zustande. Fehlt die Wahrheit — und viele Stürmer und Dränger sind da zu Kompromissen bereit! —, so gibt es im Endresultat einen theologisch promovierten Vogel Strauß, der in blindem Irenismus die Brüchigkeit seiner erlangten Ziele gar nicht wahrnimmt.

Der Optimismus Papst Johannes’ XXIII. wunde von vielen seiner Interpreten mißverstanden. Seine Zuversicht, so lehren es uns seine geistlichen Tagebücher, war getragen von den theologischen Tugenden des Glaubens und der Hoffnung; sie war das Risiko all derer, die in ihrem spirituellen Leben Gott erfahren und die unermeßlichen Möglichkeiten, die jenem Gläubigen gegeben sind, dessen Glaube Berge versetzt. Nur zu gut wußte der Ron- calli-Papst aus seiner langjährigen apostolischen Wirksamkeit im Einzugsgebiet der Orthodoxie um die Differenzen zwischen Rom und Byzanz Bescheid, die auch durch Umarmungen und Bruderküsse nicht zu tilgen sind. Und sein Nachfolger auf dem Stuhle Petri, der Montini- Papst, hatte in jahrelanger Routinearbeit im Staatssekretariat des Vatikans gelernt, daß kirchenrechtliche und kirchenpolitische Gegebenheiten auch durch solche Proklamationen nicht hinwegzufegen sind, deren Impulse das Wirken des Heiligen Geistes ahnen lassen.

Dennoch: die Stunde der Orthodoxie ist gekommen!

Die große Hoffnung der Kirche sind heute weniger die Protestanten und evangelischen Brüder der verschiedensten Observanzen, deren Glaubensgut zuweilen nur noch sehr Spärliches an katholischen Gemeinsamkeiten registriert, sondern die Orthodoxen aller Zungen. Denn Rechtgläubigkeit, im Griechischen eben „Orthodoxie“, ist doch heute die große Sorge des Heiligen Stuhles, der sich einer zunehmenden Flut von höherwertigen und minderwertigen, von wissenschaftlichen und journalistisch manipulierten Veröffentlichungen theologischer Art entgegenstellen muß, die zumindest des Irrtums verdächtig erscheinen.

Um die Orthodoxie ging es Papst Paul VI., als er am Ende des Jahres des Glaubens am Feste der Apostelfürsten Petrus und Paulus sein „Credo des Gottesvolkes“ proklamierte, das die neuerungssüchtigen Stürmer einer „zeitgemäßen Seelsorge“ bei ihrem antisakralen

Vernichtungswerk einfachhin ignorieren. Orthodoxie, das ist für den Katholiken, der treu zum Papst und seinem Oberhirten, dem Diözesanbischof, steht, Festhalten an der rechten, im Glaubensbekenntnis festgelegten Lehre, die im Gegensatz zur Irrlehre (im Griechischen „Häresie“) der Andersgläubigen, der „Heterodoxen“ steht; wobei mitunter diese innerhalb der Gemarkungen der eigenen Kirche ihr Geschäft besorgen.

Die „Bewahrung“ der Konservativen

Manche unserer linksausschwenkenden „katholischen“ Massenmedien auf den Sektoren von Presse, Hör- und Bildfunk (auch unter der Marke „ORF“) machen uns zuweilen glauben, Orthodoxie sei mit dunkelster Rückschrittlichkeit, zumindest mit sterbendem Treten am Platze gleichzusetzen. Während „Glaube ja Leben sei, das sich immerwährend entwickelt und ändert“. Nur die Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit unserer religiös ambitionierten, publizistischen Zeitgenossen, deren beide Haupteigenschaften sich dann im Produkt der Geschwätzigkeit offenbaren, verwischen die Konturen der Begriffe. In Wirklichkeit stehen nämlich echter Konservativismus im Glauben (= die menschliche Grundhaltung des Rechtgläubigen) und zukunftsabgewandte Reaktion wie Feuer und Wasser einander gegenüber.

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