Gewaltlosigkeit: Gesinnung der anderen Wange
„Gottes andere Wange“ und „Hassen oder vergeben?“: Zwei bedenkenswerte Neuerscheinungen propagieren das Bild des „ohnmächtigen Gottes“ und Gewaltlosigkeit als Lebensgrundlage gerade in stürmischen Zeiten.
„Gottes andere Wange“ und „Hassen oder vergeben?“: Zwei bedenkenswerte Neuerscheinungen propagieren das Bild des „ohnmächtigen Gottes“ und Gewaltlosigkeit als Lebensgrundlage gerade in stürmischen Zeiten.
DEO VICTORI TRIVMPHATORI OPT: MAX: TROPHAEVM HOC … –
Gott, dem Sieger und Triumphator, dem Besten und Größten diese Siegestrophäe …
Diesen Spruch, der in großen schwarzen Lettern auf der Fassade der Wiener Jesuitenkirche prangt, zitiert Elmar Mitterstieler am Beginn des von ihm herausgebrachten Sammelbandes „Gottes rechte Wange“. Der in Wien wirkende Jesuit und geistliche Begleiter nimmt die Sentenz, die ihm da tagtäglich begegnet, zum Anlass, um das dahinterstehende Gottesbild kritisch zu hinterfragen: Was Anfang des 17. Jahrhunderts in unsicheren Türkenkriegszeiten ein Kaiser an Kirchenfassaden meißeln ließ, würde in den unsicheren Zeiten am Anfang des 21. Jahrhunderts kaum jemand apodiktisch wiederholen wollen.
Keine Überraschung, dass Mitterstieler da eine der „Verstörungen“ der Bergpredigt zum Ausgangspunkt nimmt, um 16 Theologinnen und Theologen zu „Essays zur Vollkommenheit Gottes“ zu veranlassen. Ja, das Jesuswort, man solle, wenn einem auf die rechte Wange geschlagen werde, auch die andere hinhalten, bleibt bis heute verstörend, weil es angesichts von Realpolitik und Gewalttätigkeit in der großen wie der kleinen Welt so absurd erscheint. Aber dieser Herausgeber will – entgegen dem auch von Mitterstieler zitierten Triumphalismus – das Gottesbild Jesu und Abrahams, das eben keinen Gott der Sieger bereithalte, zum Vorschein bringen.
Der verwundbare, barmherzige Gott
Das ist kein ganz neues Unterfangen, aber in den Zeitläuften, die von Fundamentalismen Pragmatismen und Polarisierungen geprägt sind, drohen das Denken und die Rede von einem verwundbaren, barmherzigen Gott, der auf der Seite der Verlierer steht, unterzugehen oder zur Irrelevanz zu verkommen. Der vorliegende Sammelband kann – mit theologisch anspruchsvollen und ansprechenden Beiträgen – als eine Vergewisserung dieser Botschaft gelten.
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