Thema: Befreiungstheologie
Jesus verkündete die bevorstehende Ankunft des Reiches Gottes. Diese Botschaft besitzt einen personalen Pol, Gott als „Vater“, und einen politischen Pol, das „Reich Gottes“. Sie bedeutet für unterschiedliche Gruppen auch etwas ganz Unterschiedliches: Für die Armen Befreiung und Rettung, für die Reichen die Chance auf Bekehrung. Die Reich-Gottes-Botschaft führte daher von Anfang zu öffentlichen Konflikten: Jesus starb in ihnen.
Wenn Jesus die Armen, Hungernden und Weinenden als Selige des Reiches Gottes preist, dann gilt das nicht erst für eine unabsehbare Zukunft. Die Gottesherrschaft ist in ihrer Fülle eine zukünftige Größe, aber sie ist bei Gott jetzt schon beschlossen und sie wirkt sich auch jetzt schon aus. In Jesu Worten und Werken werden Gott und sein Reich konkrete Praxis: in der Zuwendung zu denen, die Heilung und Hilfe benötigen. Jesus steht da in guter biblischer Tradition: „Dem Schwachen und Armen verhalf er zum Recht. Heißt nicht das, mich wirklich erkennen? Spruch des Herrn.“ (Jer 22,16)
Christliches Handeln gründet nur in Jesus, wenn es sich – in individueller Barmherzigkeit und im politischen Kampf für Gerechtigkeit –für jene einsetzt, für die Jesus sich einsetzte. Es ist eine der großen Leistungen der „Theologie der Befreiung“, dies wieder gemacht zu haben. Man kann wahrscheinlich nur so, „zu einem Verständnis des Reiches Gottes gelangen, das uns jenem näher bringt, das Jesus selber hatte.“ (Jon Sobrino)
Als öffentliche Akteure sind Religionen immer politische Größen. Es kommt alles darauf an, für wen sie sich dabei stark machen: für die „Armen, Hungernden und Weinenden“ oder die Reichen und Mächtigen. In Zeiten eines entfesselten Kapitalismus wird das zur veritablen Existenzfrage der Weltgesellschaft. Es kommt darauf an, ob sie Gott vertraut und seiner Option für die Freiheit der Menschen – oder den eigenen Machtmitteln.
* Der Autor ist Pastoraltheologe an der Kath.-Theol. Fakultät Graz
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!