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Heinrich Treichl: "Haltet die CA fest in unseren Händen!"

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Heinrich Treichl, langjähriger Chef der Creditanstalt, warnt vor den Folgen einer Übernahme der Bank durch den schweizerischen „Credit Suisse”.

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Heinrich Treichl, langjähriger Chef der Creditanstalt, warnt vor den Folgen einer Übernahme der Bank durch den schweizerischen „Credit Suisse”.

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DIE FURCHE: Was empfinden Sie als langjähriger Chef der verstaatlichten Creditanstalt, wenn jetzt ein größeres Aktienpaket zur Disposition steht?

Heinrich Treichl: Die Formel „verstaatlichte Creditanstalt” höre ich nicht sehr gern. Sie stimmt nur zum Teil. Immerhin gibt es 30.000 kleinere Privataktionäre. An sich könnte man über so ein Wort als belanglos hinweggehen, aber es steckt etwas dahinter, nämlich die totale Vernachlässigung dieser Aktionäre, denen die Creditanstalt auch gehört. Die Bank ist eben nicht ein reiner Staatsbetrieb. Daß man das immer wieder vergißt und nicht berücksichtigt, ist mein erster Vorwurf an den Großaktionär Republik Österreich. Was den Verkauf selbst betrifft, so habe ich mir den schon lange gewünscht.

DIE FURCHE: Was meinen Sie? Steckt nur Budgetnot dahinter, oder geht es tatsächlich um die Entpolitisierung einer großen Bank?

Treichl: Wenn die Republik Österreich die Mehrheit des stimmberechtigten Kapitals behält, dann wird es keine Entpolitisierung geben. So wie wir die Republik Osterreich kennengelernt haben, wird es eine Entpolitisierung nur dann geben, wenn sie deutlich unter die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals geht. Die Chancen dafür stehen allerdings gut. Ob auch Budgetnöte maßgebend waren oder nicht, ist mir gleichgültig. Der Verkauf ist ein Schritt in die richtige Richtung.

DIE FURCHE: Zwei konkrete Angebote liegen vor. Der Credit Suisse will letztlich die Mehrheit an der CA. Dem steht das Angebot einer deutsch/italienisch/österreichischen Gruppe gegenüber. Gute Lösungen?

Treichl: Es gibt nur eine wirklich richtige Lösung: die Privatisierung über den Kapitalmarkt, also ein breites Angebot der Aktien an das Publikum, ohne Frage nach Reisepaß, Gruppeninteressen oder Strategien.

DIE FURCHE: Finanzminister Lacina hält davon wenig.

Treichl: In Wahrheit gibt es gegen diese Lösung nur einen einzigen Einwand: weitgestreute Kleinaktionäre artikulieren sich in der Praxis nicht leicht. Das führt in der Regel zu verstärktem Einfluß des Vorstandes. Und diese Lösung hat nicht die Billigung des Finanzministers gefunden.

DIE FURCHE: Verwundert Sie das?

Treichl: Ja und nein. Wundern kann man sich eigentlich, weil es die einzig richtige Lösung wäre und der Finanzminister das im Grunde verstehen müßte. Eine breite Streuung ist auch bei deutschen, englischen oder amerikanischen Großbanken üblich. Die haben Hundertausende von kleinen Aktionären. Man kann wirklich nicht sagen, daß es deshalb dort keine Kontrolle des Vorstandes gibt.

Nicht erstaunt bin ich über den Finanzminister deshalb, weil ich immer wieder die Erfahrung gemacht habe, daß die Sozialdemokraten nichts so sehr fürchten wie unkontrollierte Einflußmöglichkeiten der „kleinen Leute”. Die bereiten ihnen wirklich Angst, obwohl sie immer vorgeben, für „die Kleinen” einzutreten.

Deshalb gibt es eben nur mehr die Wahl zwischen zweitbesten Lösungen. Das Angebot eines „strategischen Partners” aus der Schweiz und das Angebot einer gemischten Aktionärsgruppe. Diese Gruppe ist nicht anonym wie der Kapitalmarkt, sondern namentlich bekannt. Sie ist ein nach bestimmten Interessen zusammengesetztes Übernahmekonsortium.

DlE FURCHE: Nun sind in diesem Konsortium auch starke italienische und deutsche Gruppen vertreten. Ist das Ganze nicht trotzdem ein Etikettenschwindel?

Treichl: Nein, denn das Etikett heißt "Creditanstalt". Wenn man eine "österreichische Lösung" fordert, dann verstehe ich darunter eine Lösung, die den Interessen der österreichischen Wirtschaft dient.

Unsere wirtschaftliche Expansion in die östlichen Beformstaaten ist richtig und sinnvoll. Auch die Creditanstalt engagiert sich besonders stark in diesen Ländern. Das ist aber nur dann weiterhin sinnvoll, wenn das dorthin exportierte Produkt - im Falle Creditanstalt sind es Bankdienstleistungen - auch als ein typisch österreichisches Produkt erkannt werden kann. Jetzt frage ich Sie: Ist das der Fall bei einem Verkauf einer entscheidenden Beteiligung an die Schweizerische Kreditanstalt?

Die Antwort kann nur lauten: Nein! Was die Konsumenten in Tschechien, Ungarn und Polen bekommen, wäre dann nicht mehr ein österreichisches Produkt.

DIE FURCHE: Den Konsumenten m den Reformstaaten wird das ziemlich gleichgültig sein.

Treichl: Aber unserer Wirtschaft nicht!

Um Mißverständnisse zu vermeiden, muß ich dazu zuerst einmal sagen, daß ich für die Schweizerische Kreditanstalt besondere Sympathie habe. Sie ist für mich Jahre hindurch ein wichtiger Geschäftspartner gewesen. Ich habe dort wirkliche Freunde und schätze Präsident Rainer E. Gut außerordentlich. Er ist einer der hervorragendsten Bankiers unserer Zeit. Ich kann aber trotzdem nicht sagen, es ist gleichgültig, von wem und wo die Zukunft der CA gestaltet wird:

Österreich bemüht sich, in die EU hineinzukommen, die Schweiz hat schon den ersten Schritt dazu in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt. Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied. Die Creditanstalt als Tochter der Schweizerischen Kreditanstalt würde zu einem Standbein der Schweiz in der Europäischen Union werden. Eine Schweizer Großbank könnte dann den Standortvorteil ausnützen, den die österreichische CA erworben hat.

Und nationale Interessen werden noch lange, auch innerhalb der Europäischen Union, eine Rolle spielen. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal wird noch für sehr lange Zeit sein: Wo fallen die Entscheidungen? Und die sollen für die Creditanstalt in der Wiener Schottengasse 6 im ersten Stock fallen. Dort gehören sie hin!

DIE FURCHE: Kann in dem Übernahmekonsortium der entscheidende österreichische Einfluß gewährleistet werden?

Treichl: Wenn sich die italienisch-österreichische Generali-Versicherung den Einfluß mit österreichischen Industriellen, mit österreichischen und deutschen Geldinstituten teilen muß, wird der Entscheidungsmodus gewissermaßen entnationalisiert, neutralisiert, und die Entscheidungen werden in einem österreichischen Institut und für dieses getroffen.

DIE FURCHE: Es gab auch Versuche von Raiffeisen, die Creditanstalt zu übernehmen. Wäre diese Lösung besser gewesen?

Treichl: Nein! Die Beteiligung der Raiffeisenzentralbank wäre nur die Beteiligung der Spitze der Raiffeisenorganisation gewesen. Das hätte zwar eine erhebliche Erweiterung des Machtbereiches von Raiffeisen bedeutet, aber für die CA hätte es gar nichts gebracht. Die CA hat immer strukturell Bedarf an Primäreinlagen gehabt. Genau die wären aber nicht zur Verfügung gestanden, sondern bei den Raiffeisenkassen geblieben.

DIE FURCHE: Aber dauernd hieß es, der wachsende Riese Bank Austria muß ein schwarzes Gegengewicht bekommen.

Treichl: Ohne dieses verdammte Denken in Machtblöcken und das Kleben an der politischen Macht geht offensichtlich in Österreich nichts! Ich wünsche mir weder einen „schwarzen” noch einen „roten” Riesen, sondern wenigstens eine normale Commerzbank nach westlichem Muster.

DIE FURCHE: Schmerzt es Sie sehr, daß die CA nicht mehr die Nummer eins ist in Osterreich?

Treichl: Lassen Sie sich doch nicht an der Nase herumführen und lösen Sie sich von der journalistischen Gewohnheit, für Banken Ranglisten aufzustellen wie für eine Fußball-Liga.

Die Bank Austria ist die größte österreichische Sparkasse und die CA ist Österreichs größte Bank. Und wenn sie nur die zweitgrößte wäre, so ist das nicht von besonderer Wichtigkeit. Ob es sich um eine Bank oder eine Sparkasse handelt, läßt sich am sichersten an der Orientierung und dem Leistungsvermögen der Mitarbeiter messen, die dem Kunden gegenüberstehen.

Die Bilanzsumme als Maß zu nehmen, ist zwar bequem, aber irreführend.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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